Finale

Der Rest der Welt

Unter den Schulprüfungen leiden alle: Kinder und - still und unsichtbar - die Eltern. Foto: Getty Images/iStockphoto

Hilfe, ich sehe nichts! Befinde mich hinter einem turmhohen Haufen Süßigkeiten und Bonbons, die ich panikartig in meinen Einkaufswagen gestopft habe. Ich nehme schwungvoll die Ecke zum Eiscreme-Tiefkühlfach, der Turm schwankt gefährlich, andere Eltern mit ähnlich ungesund ausgestalteten Einkaufswagen werfen mir böse Blicke zu.

Kasse Inzwischen musste ich mir noch einen zweiten Einkaufswagen angeln und steuere mit meiner kleinen Karawane auf die Kasse zu. Da stehen schon die anderen Mütter, und – omg – einige von ihnen scheinen um Jahre gealtert zu sein! Aber ich selbst sehe ja auch aus wie ein Besen: struppige Haare, Augenringe, fahle Haut.

Ja, richtig geraten! Es ist Juni in Antwerpen – die Saison der gefürchteten Schulabschluss-Prüfungen! Die Zeit der schlaflosen Nächte, der hysterisch kreischenden Teenager, der Nägel kauenden Mütter. Für alle Gymnasiasten gibt es zwei Wochen lang statt Schule morgens nur zweieinhalb Stunden Prüfung. Den Rest des Tages sitzen die Teenies zu Hause, lernen, raufen sich die Haare und machen dem Rest der Familie das Leben zur Hölle. Fernsehen für die kleinen Geschwister? Ist nicht drin, stört beim Lernen, bitte nur noch mit Kopfhörer! Leute einladen? No, thank you! Essenszufuhr? Unregelmäßig, und wenn, dann bitte nur Junkfood. Kommunikation? Wird auf das Allernötigste heruntergefahren (unfreundliche Grunzlaute).

Türenknallen Und jeden Wochentag, Schlag halb elf, steht meine frisch geprüfte Emma vor der Tür, schleppt sich auf allen vieren erst in Richtung Kühlschrank, dann in Richtung Couch (kurze Fernsehpause) und dann wieder in ihr Zimmer. Heftiges Türenknallen, und dann wird weitergebüffelt für die nächste Prüfung.

Der Gipfel aller Genüsse aber ist es, wenn ich in die Höhle des Löwen gerufen werde, um Emma abzufragen. Ob Bio, Geschichte, oder Chemie, es ist immer wie ein kurzer Trip in die Vorhölle. Sympathische und parasympathische Nervensysteme, Insulin, Glukose, Fettleber und Tennisarm: Alles, bis ins Genaueste bebildert und aufgeschlüsselt, muss bis ins kleinste Detail abgefragt werden. Es ist unglaublich, wie viel Lernstoff die in diesem Land in die kleinen Teenie-Hirne stopfen.

Emma ist wie immer kühle Meisterin ihres Schulbuchwissens. Und ich habe wie immer keine Ahnung von gar nichts und stehe jedes Mal da wie eine Vollidiotin.

Lernniveau Als ich noch zur Schule ging, machte der Laden um 13.15 Uhr zu, und das war’s dann. Emma hat Schule bis 16 Uhr – ist doch klar, dass da ein ganz anderes Lernniveau angestrebt wird. Kein Grund zu sticheln, und auch spitze Bemerkungen über meine »Dorfschule« sind völlig unangebracht!

Tatsache ist, dass meine letzte Schulprüfung bereits 30 Jahre her ist, und obwohl ich immer noch Albträume bei diesem Thema habe, befindet sich der ganze grausliche Schulstoff inzwischen unter einer süßen, rosafarbenen Decke des Vergessens. Und ja, es geht mir sehr gut dabei, vielen Dank. Und zum Abfragen gibt’s doch bestimmt irgendeine App oder so, damit ich nicht mehr ranmuss? Falls Sie was zum Thema beisteuern können: Sie wissen ja, wie Sie mich erreichen können!

Sehen!

Fluxus in Köln

Das Museum Ludwig widmet Ursula Burghardt und Ben Patterson eine Doppelausstellung

von Katharina Cichosch  24.11.2024

Amos Oz

Der Fehlbare

Biograf Robert Alter würdigt den Literaten und politischen Aktivisten

von Till Schmidt  24.11.2024

Glosse

Der Rest der Welt

Schweißausbrüche, Panikattacken und eine Verjüngungskur auf dem Podium

von Margalit Edelstein  24.11.2024

Kulturkolumne »Shkoyach!«

Wenn Fiktion glücklich macht

Shira Haas und Yousef Sweid sind in »Night Therapy« weitaus mehr als ein Revival der Netflix-Erfolgsserie »Unorthodox«

von Laura Cazés  24.11.2024

Aufgegabelt

Boker tow: Frühstück

Rezepte und Leckeres

 24.11.2024

Auszeichnung

Historiker Michael Wolffsohn erhält Jugendliteraturpreis

Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendliteratur würdigt Engagement in der Geschichtsvermittlung

 23.11.2024

Berlin

Nan Goldin eröffnet Ausstellung mit Rede über Gaza-Krieg

Die umstrittene Künstlerin nennt Israels Vorgehen »Völkermord« – »propalästinensische« Aktivisten schreien Museumsdirektor nieder

 23.11.2024 Aktualisiert

Bochum

Gil Ofarim kündigt Konzert an

Gerade erst zeigte er sich geläutert - nun kündigt er neue Pläne an

 22.11.2024

Den Haag

Der Bankrott des Internationalen Strafgerichtshofs

Dem ICC und Chefankläger Karim Khan sind im politischen und juristischen Kampf gegen Israel jedes Mittel recht - selbst wenn es unrecht ist. Ein Kommentar

von Daniel Neumann  22.11.2024