Eigentlich müsste ich als reich gelten. Denn im Russischen gibt es ein Sprichwort, das besagt, man solle nicht 100 Rubel, sondern 100 Freunde haben. Auf Facebook habe ich inzwischen mehr als 1000 Freunde. Dabei kenne ich bei Weitem nicht alle persönlich. Denn so viel komme ich als schon von jeher im Homeoffice arbeitender Journalist nicht herum. Daher war 2020 in dieser Hinsicht nichts wirklich Neues für mich.
Taglit Angefangen aber hatte alles im Dezember 2007, als ich mich auf eine »Taglit«-Israelreise vorbereitete. Voraussetzung dafür war die Anmeldung in dem damals noch recht unbekannten sozialen Netzwerk. Ich bin also ein Facebook-Pionier! Die »Timeline« war damals wirklich noch sehr überschaubar. Erinnern Sie sich? 2007 waren die meisten noch auf StudiVZ oder diskutierten eifrig in Foren. Hach, die Nullerjahre!
Heute wiederum gilt Facebook als Netzwerk für ältere Semester. Wo ist aber die Jugend? Vielleicht auf TikTok, wo ich ganz sicher nicht zu finden bin.
Dafür aber auf Instagram! Das manchmal etwas despektierlich als »Fotoplattform« bezeichnete Netzwerk ist zum »place to be« für Mittdreißiger wie mich avanciert. Sämtliche Künstlerfreunde sind dorthin abgewandert. Auch ich versuche mich auf Instagram als Künstler und beglücke die knapp 600 Abonnenten mit meinen eigenartigen Porträtzeichnungen. Denn ich finde, nichts ist unattraktiver als unscharf abfotografierte Zeitungsartikel oder der ominöse »Link in Bio«. Oder haben Sie je diesen gut versteckten Link angeklickt? Ich bezweifle es.
Twitter Mehr Klickpotenzial gibt es dagegen auf Twitter. Dort präsentiere ich mich so seriös, als würde ich bei einem Jörg-Schönenborn-Lookalike-Contest mitmachen. An die großen Meister des Gezwitschers komme ich mit meinen 225 Followern aber nicht heran. Vielleicht sollte ich öfter wütende nächtliche Tweets in Großbuchstaben absetzen.
Aber auch dieser Trend ist, wie man munkelt, sehr bald vorbei. Noch seriöser trete ich nur noch auf LinkedIn auf. Denn dort scheinen alle auf ihre unmittelbar bevorstehende Entdeckung durch einen Headhunter zu warten. Und dafür wirft man sich schon mal in Schale!
Ansonsten aber empfiehlt sich LinkedIn als Facebook minus Katzenvideos und Polit-Agitation. Bald will ich dort die 400-Follower-Marke knacken. Spätestens dann bin ich wirklich superreich.