Chanukka ist gerettet! Noch vor Kurzem sah es so aus, als ob wir zu dritt feiern müssten. Wie an Pessach, eine Kleinfamilie an einer großen Tafel, mit Telefon-Schaltung zur erweiterten Großfamilie und unterdrückten Seufzern auf der anderen Seite der Leitung.
Doch inzwischen gibt es – natürlich unter Einhaltung der Kontaktregeln – dezente Chanukka-Einladungen für meinen Sohn. Zu meiner Begeisterung bin ich aber auch zu einer Post-Chanukka-Schabbat-Feier im kleinsten Kreis eingeladen – mit inoffiziellem Zünden der neunten Kerze und anschließend der Schabbatkerzen. Darauf eine Flasche Golan-Wein!
Post-Chanukka-Blues Es bleibe Licht: Diese Strategie sollte man ausweiten, damit dem Lichterfest nicht der Post-Chanukka-Blues folgt. Nichts hilft doch so gut durch die dunkle Jahreszeit wie eine Therapie mit mehreren Zehntausend Lux. Warum also nicht jeden Tag ein Licht mehr anzünden, auch wenn das Lichterfest schon zu Ende ist? Schließlich steht nirgendwo geschrieben, dass Kerzen nur zur Chanukkazeit leuchten dürfen.
Zum Glück bin ich auch zu einer Post-Chanukka-Schabbat-Feier eingeladen – mit inoffiziellem Zünden der neunten Kerze und dann der Schabbatkerzen.
Was wäre denn die Alternative für die Weihnachtstage in diesem Corona-Jahr? Traurig in der Ecke sitzen, während unsere nichtjüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger dem Fest der Liebe frönen, und uns ärgern, weil für uns der Messias immer noch nicht gekommen ist? Auch das beliebte jüdische Heiligabendprogramm »Zum Chinesen gehen« fällt diesmal aus.
Tannenbaum Ich selbst werde am 24. Dezember einen Weihnachtsflüchtling aufnehmen – einen Christen, der ausgerechnet an diesem Tag alleine ist. Aber nicht alle von uns haben die Möglichkeit, eine solche Mizwa zu tun, denn die Legende vom friedlichen Weihnachtsfest hält sich hartnäckig – und wer keine heile Familie hat, scheint sich in dieser Zeit umso mehr danach zu sehnen.
Von »Weihnukka« träumen und heimlich Christbaumkerzen horten … So weit darf es nie wieder kommen!
Dass der Heilige Abend eine idyllische Veranstaltung ist, habe ich allerdings schon als Kind bezweifelt – eine Freundin suchte immer sofort nach der Bescherung Asyl in der jüdischen Herberge (also bei mir), weil ihre Eltern die schlimmsten Streitereien des Jahres mit Vorliebe unter dem Tannenbaum austrugen.
Rückfall Aber ich muss auch zugeben: Als Kind besaß ich eine Pappkiste mit einer Kugel aus rotem Glas und Strohengeln und Wachsfiguren und solchen Sachen, die ein jüdisches Kind auf keinen Fall haben darf. Warum ich den Schmuck damals auf dem Weihnachtsmarkt gekauft habe? Weil wir bis zu meinem zehnten Geburtstag sogar Tannenzweige auf dem Esstisch hatten, und das in einem jüdischen Haushalt! Neulich habe ich die Kiste des Anstoßes bei meiner Mutter wiedergefunden und mich entschieden, sie dort zu lassen, um auf keinen Fall rückfällig zu werden.
Jetzt habe ich mich vor einem Schaufenster dabei ertappt, wie ich eine Lichterkette anstarrte. Von »Weihnukka« träumen und heimlich Christbaumkerzen horten … So weit darf es nie wieder kommen! Chanukka muss fortgesetzt werden – mindestens bis zum 26. Dezember, also bis zur 17. Kerze. Ich habe schon fünf Päckchen Chanukkakerzen gehamstert. Und wer die Weihnachtskrise schiebt, darf sich gerne bei mir melden!