Am Schabbesnachmittag gehe ich mit der Frau spazieren. Von Chassidim habe ich einmal gehört, dass ihnen vom Rebbe aufgetragen wurde, sich pro Woche exakt eine Stunde mit der Frau zu befassen. Manchmal dauert unser Spaziergang sogar zwei Stunden. Wir reden über Kinder, Geld und die bösen Schwiegereltern. Diese Dreifaltigkeit kittet jede Ehe, finde ich.
Von weitem sehen wir ein anderes Pärchen. Sie ist Apothekerin, er Arzt. Wir kennen uns nur flüchtig von der Synagoge. Ich weiß nur, dass sie drei oder fünf Kinder hat. Er ist Chefarzt in einem kleinen Spital. Wir halten an. Smalltalk.
Bla Bla Kicher Die beiden Frauen quatschen, wir Männer stehen wie vor der Garderobe. Meine Frau: »Bla bla bla mein Mann schläft ja immer bis tief in den Nachmittag bla bla bla«. Die Apothekerin: »Kicherkicher bla bla bla ja, der Schlaf ist dann wohl das letzte Prärogativ ihres Mannes bla bla bla.« Wir alle lachten laut auf.
Als die beiden außer Hörweite waren, fragte mich die Frau: »Du, was ist ein Prärogativ?« Ich musste schmunzeln. Das Wort Prärogativ setzt sich aus dem Lateinischen prä (vor) und dem Griechischen rogativ (fragen) zusammen. Also »Vorfragen«. Der Schlaf ist also das letzte »Vorfragen« des Mannes. Meine Frau sagte nur: »Aha!« Ich hingegen wusste, dass das kaum die richtige Übersetzung sein kann.Das Wort »Prärogativ« beschäftigte mich den ganzen Schabbat.
Duden Wie kann es sein, dass eine Apothekerin en passant ein Wort benutzt, dass ich nicht kenne? An den Rechner gehen konnte ich nicht, wegen Schabbat. Ich suchte die ganze Wohnung nach diesem gelben Buch ab. Nein, nicht das Telefonbuch. Himmel, wie heißt das schon wieder? Ach ja, Duden! Aber wir haben keinen Duden mehr. Seit 1996 nicht mehr.
Ich ging ins Zimmer der Tochter und blätterte in ihrem Schülerduden nach. Aber der wusste auch nicht, was »Prärogativ« bedeutet. Das tröstete mich ein wenig. Aber nicht lange. Was, wenn Prärogativ Impotenz bedeutet? Wenn die Apothekerin also über etwas Intimes von mir Scherze machte? Das ist überhaupt nicht lustig. Und ihr Mann, der Dreckskerl, hat laut und frech über mich gelacht.
Endlich war der Schabbat zu Ende. Ich rannte zum Computer und machte mich schlau. Also, Prärogativ bezeichnet das Vorrecht eines Monarchen. Mein Schlaf ist also das letzte Vorrecht eines Königs? Warum und wieso? Ich verstehe jetzt gar nichts mehr. Das nächste Mal brülle ich die Apothekerin an: »Wissen Sie was? Sie sind das Prärogativ unseres Bundespräsidenten. Pech, Herr Chefarzt!«