Noch nie hat das Killesberg-Freibad so aufregend exotisch auf mich gewirkt wie in diesem Jahr. Knallblaues, angenehm kühles Wasser, um das sich alte Bäume im Wind wiegen … blitzblauer Himmel, garniert mit einigen Schäfchenwolken … am Schwimmbad-Kiosk gibt’s immer noch die knallrote Brause meiner Kindheit, die irgendwie nach Kaugummi schmeckt … der Geschmack der Freiheit!!!
Nach einigen dumpfen Monaten zu Hause in Antwerpen in der roten Corona-Zone, eingeigelt auf meinem Sofa wie ein frustrierter Einsiedlerkrebs, erscheint mir das spießige Stuttgart-Nord nun auf einmal wie eine Art glitzerndes Nirwana. Noch nie haben wir uns so amüsiert und das Leben in vollen Zügen genossen wie diesen Sommer.
maskenpflicht Noch vor ein paar Tagen schlichen wir schwitzend und fluchend bei 30 Grad im Schatten mit Gesichtsmaske herum. Maskenpflicht überall im Risikogebiet, im Wald, im Park und auf der Straße – und kein Entkommen. Ich war kurz davor, auszurasten. Als ich am Telefon zum fünften Mal in einer Woche einen schluchzenden Nervenzusammenbruch hatte, beschloss meine Mutter kurzerhand, uns alle nach Stuttgart einzuladen, um uns dort nach Strich und Faden zu verwöhnen.
Noch nie habe ich so schnell die Koffer gepackt.
Noch nie habe ich so schnell die Koffer gepackt. Es war Donnerstagfrüh, und wir waren schon so gut wie weg, als mich ein Kollege per WhatsApp darüber informierte, dass die Einreise aus der roten Zone Antwerpen über die deutsche Grenze leider kurz zuvor unmöglich geworden war: zweiwöchige Quarantäne oder ein negativer Corona-Test.
Ein weiterer Nervenzusammenbruch meinerseits folgte. Denn wie so schnell einen Corona-Test organisieren? Es gab tagelange Wartezeiten. Vom vielen Heulen war ich völlig verschnupft, hatte Kratzen im Hals, meine Nase war so verstopft, dass mir mein Geruchssinn völlig abhandengekommen war …
schnelltest »Kein Geruchssinn?«, fragte meine Mutter am Telefon. »Vielleicht hast du ja Corona! Ruf sofort den Arzt!« Gesagt, getan. Der Arzt verpasste mir und meinem Mann stehenden Fußes einen Corona-Schnelltest, der 24 Stunden später negativ zurückkam, wir stopften das Gepäck und die Kinder ins Auto, mein Mann gab Gummi, und wenige Stunden später atmeten wir auf einer Raststätte irgendwo in der deutschen Pampa – zum ersten Mal seit Wochen wieder maskenfrei – die erfrischende Luft der Autobahn.
Von da an waren die gesamten Ferien einfach nur rosarot. Die Stocherkahnfahrt auf dem Tübinger Neckar hätte sich genauso gut auf einer Gondel in Venedig abspielen können, so befreit und überglücklich schaukelten wir übers Wasser. Die Aussicht vom Balkon meiner Eltern auf den dunstigen Stuttgarter Kessel schien mindestens so malerisch wie der Blick auf den Großglockner bei Sonnenuntergang, und beim Gang ins Freibad kam echtes Marbella-Feeling auf. Beim Gedanken, irgendwann wieder zurück nach Hause zu müssen, wurde mir einfach nur übel.
Aber meine Glückssträhne hielt an. Nach zwei sonnenverwöhnten Wochen in Stuttgart wurde die allgemeine Antwerpener Maskenpflicht abgeschafft. Und hier bin ich also wieder, wohlig zusammengerollt auf meinem Sofa vor dem Fernseher. Draußen rüttelt ein Septembersturm die Bäume, wir haben koscheres Sushi bestellt und gucken Netflix, nur unterbrochen von sporadischen heiseren Schofartönen (die Nachbarn üben schon für die Chagim) und dem Gehämmer des jährlichen Laubhütten-Baus für Sukkot. Das Leben ist eigentlich doch ganz schön.