Am Schabbat fahre ich kein Auto. Ich gebe zu, an allen anderen Wochentagen auch nicht. Ich habe nämlich gar kein Auto. Ich glaube, es ist schon mehr als zehn Jahre her, dass ich zuletzt am Steuer saß.
Den jungen Mann auf meinem Führerschein erkenne ich kaum noch wieder. Als ich die Fahrerlaubnis bekam, regierte in Berlin noch der selbst ernannte »Kanzler aller Autos«. Ich erinnere mich also noch an Zeiten vor Angela Merkel! Ich glaube, ich werde alt.
Facelift Mit mir und dem Auto hatte es hoffnungsvoll angefangen. Noch bevor ich das Wort Schabbat korrekt buchstabieren konnte, wusste ich, was ein Facelift ist, wo die Vor- und Nachteile eines Stufenhecks liegen und was es mit A-, B- und C-Säule auf sich hat. In meiner Jugend war ich nämlich Autofan.
Kurz nachdem wir nach Deutschland kamen, fing ich an, Autozeitschriften zu lesen. Fragen Sie mich bitte nicht, wie ich auf die Idee kam, aber ich habe meinen Grundwortschatz Deutsch mithilfe der »Auto Bild« gelernt.
Die Kenntnisse für Fortgeschrittene holte ich mir in der »auto motor und sport«. Vielleicht lesen sich daher manche meiner heutigen Artikel wie Fahrberichte eines neuen Kompaktwagens mit Klappheck und Servolenkung.
Liaison Aber egal. Ich habe nämlich nicht nur stapelweise Autozeitschriften gelesen, sondern auch leidenschaftlich Modellautos gesammelt. Ich war kurz davor, mich für ein Autodesignstudium zu bewerben. Kurzum, alles deutete auf eine lebenslange Liaison mit dem Automobil hin. Ich hätte auf diesem Weg ein richtiger Deutscher werden können! Warum daraus nichts geworden ist, kann ich nicht genau sagen. Ich entschied mich jedenfalls für ein anderes Studienfach, und als Student konnte ich mir ohnehin kein Auto leisten.
Heute besitzen wir bewusst keines. Wir leben in der fünftgrößten Stadt Deutschlands, die noch klein genug ist, um alles Notwendige mit dem Fahrrad erreichen zu können. Vom Dauerstau in der Innenstadt und der nervigen Parkplatzsuche war in den Autozeitschriften übrigens nie die Rede.
SUV Die Bewohner unseres Viertels sind ganz anders eingestellt. Wer hier nicht mehrere Autos besitzt, und davon mindestens einen SUV, fällt auf. Wer sonntags nicht damit Brötchen holen fährt, gerät schnell in Verdacht, nicht dazuzugehören. Wir haben uns sogar schon überlegt, einen SUV zu kaufen, nur um die kritischen Blicke der Nachbarn loszuwerden.
In meiner Verwandtschaft wurden auch schon einige vom SUV-Hype mitgerissen. Ich glaube, unter meinen Modellautos waren auch ein paar Sportgeländewagen. Mein vierjähriger Neffe spielt inzwischen mit ihnen. Er ist fast so autokundig wie ich einst. Vielleicht wird er ja eines Tages ein richtiger Deutscher.