Normalerweise werden um diese Jahreszeit immer Rufe nach sündhaft teuren Morphsuits, Iron-Man-Masken und Stormtrooper-Helmen für Purim laut. Aber dieses Jahr? Verdächtige Stille bei meinen Kindern. Als ich vorsichtig nachfrage, erhalte ich die Antwort, das sei alles bereits geregelt: Alle drei gehen dieses Jahr als Shoshke Engelmayer! Bitte wer? Meine Kinder rollen mit den Augen. Shoshke Engelmayer ist die neue Superheldin aus Israel, Instagram ist übersät mit ihrem Konterfei, cooler als sie sei keiner. Ach so.
Zaghaftes Googeln ergibt Bilder von einer Tussi mit einer Riesenperücke aus gelbem Schaumstoff, dicken roten Silikonlippen und einer schwarzen Brille mit angeklebten XXL-Wimpern. Meine Kinder bewegen sich schon in Richtung Küche, um meinen Spülschwammvorrat zu plündern.
Schulrabbiner Mein Blick gleitet herab an Shoshkes Körper, der in einem rosa Bodysuit steckt, an den richtigen Stellen ausgepolstert, und mit zwei pinken Plastiknippeln. »Ja, die Nippel«, meint mein Sohn versonnen, »die können wir aus rosa Schraubverschlüssen machen, oder?« »MOMENT«, entgegne ich in Großbuchstaben, »wenn ihr zu Purim in einem rosa Bodysuit mit Plastiknippeln in der Schule auftaucht, habe ich innerhalb von fünf Minuten den Schulrabbiner auf dem Hals, und ihr könnt euch eine neue Schule suchen!! Denkt euch was anderes aus!«
Nöhlend ziehen meine Kinder ab, ich aber, einigermaßen fasziniert von Frau Engelmayer, beginne nochmal ausgiebig zu googeln. Shoshke Engelmayer ist in Wirklichkeit ein Er, Ze’ev Engelmayer ist in ganz Israel bekannt als der Starzeichner von Yedioth Ahronoth, und Shoshke ist seine Comicfigur. Ze’ev mit seiner Nickelbrille und seinem schüchternen Lächeln hatte vor einiger Zeit anscheinend sein Dasein als graue Maus satt, ließ sich in eine gigantische schillernde Plastikmuschel einnähen und entstieg dieser während eines knallig bunten Happenings und unter Standing Ovations als Shoshke Engelmayer. Seitdem ist Shoshke nicht zu stoppen!
Karaoke Sie liebt Crowdsurfing, Karaoke und vor allem laute Demos für Frauenrechte und gegen Korruption. Shoshke marschiert immer ganz vorne mit, sie schaffte es damit schon auf das Cover der »New York Times« und wurde vor Kurzem als eine der 100 einflussreichsten Personen des Landes ausgezeichnet.
Wenn Engelmayer auf der Straße in seinen roten Stilettos stolziert, reißen sich alle um ein Selfie mit ihm. Ze’ev hat sich inzwischen an sein neues Glamour-Leben gewöhnt, meinte er kürzlich in einem Interview. Wenn er mal ohne sein Drag-Kostüm zu einer Verabredung mit seinen Freunden kommt, seien diese total enttäuscht, erzählt er.
Als er sich anlässlich der letzten Wahlen als Adbuster betätigte und Plakate der Likud-Partei mit grellbunten Shoshke-Produktionen überklebte, wurde es seinem Arbeitgeber zu bunt: Shoshke alias Ze’ev wurde kurzerhand gefeuert. Macht aber nichts, Shoshke lässt sich nicht so einfach unterkriegen. Neuesten Gerüchten zufolge hat Engelmayer jetzt eine Professur an einer renommierten Design-Hochschule und trägt bei seinen Vorlesungen wieder Nickelbrille.