Wir leben in einem Hochhaus im vierten Stock. Das Haus wurde vor einigen Monaten renoviert und sieht jetzt ziemlich schick aus. Nach der Sanierung kommt man gar nicht mehr so leicht rein. Zuerst steckt man den Schlüssel ins Loch, dreht ihn um 90 Grad und drückt links auf dem Bildschirm die Kombination ein: 8-0-3-8.
Kätzchen Dann schnurrt die Tür wie ein Kätzchen und geht automatisch auf. Es ist ein erhabenes Gefühl. Für eine kurze Zeit vergesse ich dann, dass ich in einem Hochhaus am Rande Zürichs lebe, wo es ein bisschen lauter und schmutziger ist als sonst im versnobten Zürich.
Wenn ich am Schabbat nach der Synagoge nach Hause laufe, stehe ich allerdings vor einem Problem. Ich darf am Schabbat nicht Auto fahren, keine Tiere jagen und keinen Bildschirm berühren.
»Warum dürfen Sie am Schabbat auf keinen Bildschirm drücken?«
Was mache ich also? Ich schreie: »Anne!«, »Kinder!«, »Hallo!« Im günstigsten Fall erhört mich ein Familienmitglied und öffnet mir die Tür von innen. In der Regel sind die Fenster im vierten Stock geschlossen, trotz gegenteiliger Abmachung.
Fremdgänger Ich schreie also lauter: »Anne!« Meistens laufen dann Leute an mir vorbei und gucken mich verstört an. Ich wirke wie ein Fremdgänger, der seiner Frau die Gründe erklären will: »Anne!« Im Film geht dann irgendwann ein Fenster im vierten Stock auf, und die Gattin wirft Kleider, Schuhe, Schmuck raus und brüllt: »Komm nie wieder zurück, du Arschloch!«
Aber so bin ich nicht. Ich will nur nach Hause und Kiddusch machen. Außerdem müsste ich dringend auf Toilette. »Anne!« Ein älterer Mann tritt an mich heran. »Haben Sie den Code vergessen?« Ich stelle mich doof, denn das darf man auch am Schabbat. »Code, welcher Code?« Der Mann führt mich zum Eingang. »Gucken Sie: 8-0-3-8, jetzt Sie!« Ich stelle mich noch doofer an: »Was, Code?« Der Mann zweifelt plötzlich: »Sie wohnen doch hier, Herr Frenkel?«
Wüste Ich erkläre ihm meine Gründe. Er guckt mich misstrauisch an. »Warum dürfen Sie am Schabbat auf keinen Bildschirm drücken?« Ich weiß es auch nicht. Es hat irgendetwas mit dem Stiftszelt in der Wüste vor 3000 Jahren zu tun. Aber wenn ich ihm das sage, bestellt er sicher die Ambulanz. Und Auto fahren darf ich auch nicht am Schabbat. Himmelherrgottnochmals!
In diesem Moment guckt meine kleine Tochter aus dem Fenster und erblickt ihren dämlichen Vater. »Papi!« Sie saust die Treppen runter und erlöst mich. Der Mann neben mir guckte uns noch lange nach. Nächsten Schabbat gehe ich nicht aus dem Haus.