Glosse

Der Rest der Welt

Voneinander lernen Foto: Getty Images/ iStockphoto

Wussten Sie, dass ein Schlüssel zu bester Gesundheit im Alter ist, sich mit Menschen zu umgeben? Das habe ich kürzlich in einer Studie gelesen und erschrak etwas, denn als Einwanderin habe ich mich in meinen Anfangstagen in Berlin manchmal sehr allein gefühlt.

Zugegeben, über 50 bin ich noch nicht, aber man muss ja auf alles vorbereitet sein, und deswegen war für mich klar: Ich brauche Menschen um mich herum.

Cookies Gesagt, getan! In meiner ersten Woche in der neuen Wohnung ging ich mit selbst gebackenen Cookies von Nachbarstür zu Nachbarstür und stellte mich den anderen Mietern im Haus vor.

Ich wusste ja nicht, dass man in Berlin so etwas eigentlich nicht macht. Noch weniger war mir bekannt, dass ich meine Nachbarn damit in eine schlimme moralische Zwickmühle gebracht hatte: Sollten Sie mir den Teller, auf dem die Cookies lagen, zurückbringen oder behalten? Fast niemand kam.

Drinks Aber ich ließ nicht locker: Im Sommer machte ich einen Aushang und lud die Nachbarn zu einem Drink in den Hof ein. Ich bereitete alles vor, drapierte die Gläser – aber niemand kam. Nun, trank ich eben allein. Da ich mich den örtlichen Gepflogenheiten anpassen wollte, buk ich zum Nikolaustag einen Kuchen – die Reaktion dürften Sie mitunter erahnen.

Um also nicht allein vor mich hinzubacken, musste ich kreativ werden. In meinem Haus wohnen einige Kinder, die so etwa zwölf sein müssen, Englisch lernen und Hilfe bei ihren Hausaufgaben brauchen, wie ich in einer meiner Mini-Unterhaltungen mit einer Mutter herausfand. Und ehe ich mich versah, saßen fünf Schüler bei mir, wir schauten Filme im Original, übten für den nächsten Test und riefen eine WhatsApp-Gruppe auf Englisch ins Leben. Ihre Noten wurden besser, und ganz nebenbei auch mein Deutsch.

Das öffnete mir im wahrsten Sinne des Wortes die Türen der Nachbarn: Wir lernten uns kennen, halfen uns mit Lebensmitteln aus und hielten uns über Aktivitäten im Kiez auf dem Laufenden.

Katze Und da es viele Tiere im Haus gibt, wurde ich zum Stamm-Dosenöffner einer Nachbarskatze. Einen Monat lang lebte die Mieze bei mir, dann musste ich kurz verreisen, und jemand anderes aus meinem Haus fütterte sie in meiner Wohnung. Als ich wieder zurückkam, merkte ich, dass der Nachbar einige Dinge in meinem Apartment repariert hatte. Seine Art, Danke zu sagen für einen Gefallen, den ich ihm einmal getan hatte.

Nur ein Nachbar, der sonst mit niemandem redet und die Kellertüren ziemlich laut zuschmeißt, braucht noch etwas Zeit, um mit dem ganzen Nachbarschaftlichen warmzuwerden. Ich gebe die Hoffnung aber nicht auf, besonders nicht, nachdem mich eine Nachbarin neulich quer durch den Hausflur fragte, ob ich ihr mal ein paar Zwiebeln leihen könnte: wie im Nahen Osten! Mit dieser Community werde ich mindestens 120!

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