Seit ich nach Berlin gezogen bin, war ich zum ersten Mal wieder zu den Hohen Feiertagen in Israel. Nicht, weil ich nicht gern hinfahre, sondern weil die Preise für Flugtickets einfach enorm hoch sind. Ich vermeide es deswegen, zu den Feiertagen zu fliegen, denn eigentlich hat auch niemand wirklich Zeit, sich zu treffen.
Aber nach ernst zu nehmenden Drohungen meiner Mutter und ihrem herzerweichenden, mütterlich-weinend-drohenden »Ich möchte doch einfach nur, dass wir wenigstens zum neuen Jahr zusammen sind« gab ich nach und flog hin. Das Gefühl, teils Touristin, teils Israelin zu sein, war, gelinde gesagt, seltsam.
Flugticket Ich landete sehr, sehr früh – der sonst höchste Ticketpreis war für diese Uhrzeit der günstigste –, und mir blieb nichts anderes übrig, als ein Taxi nach Tel Aviv zu nehmen. Allerdings wollte ich weder viel bezahlen noch ewig in der Schlange für die Taxis warten.
Ich will es nicht verbergen: Ein Gefühl von Stolz überkam mich.
Also ging ich kurz entschlossen auf die dritte Ebene, sah ein Taxi, aus dem gerade jemand ausgestiegen war, und sprang rein. Der Fahrer dachte zuerst, ich sei eine Touristin, erkannte aber an diesem gekonnten Sprung, dass jemand, der so etwas macht, nur Israeli sein kann.
Ich will es nicht verbergen: Ein Gefühl von Stolz überkam mich. Nachmittags war ich mit Freunden in einem Café verabredet und musste den Bus dorthin nehmen. Aber irgendwie hatte sich das Bezahlsystem geändert, denn die Busfahrer verkaufen keine Tickets mehr. Was also tun? Ich war aufgeschmissen und musste sogar andere Leute ansprechen, die mich entgeistert ansahen – einer dachte, ich bettele – und deren Gesichtsausdruck mir sagte: Wieso wissen Sie das nicht, wenn Sie Israelin sind? Ich erklärte, dass ich nicht in Israel lebe, und erntete erneut einen dieser Blicke.
Status Am letzten Tag musste ich zu meiner Versicherung, um herauszufinden, wie lange ich noch als Einwohnerin Israels gelistet bin. Denn wenn man länger als fünf aufeinanderfolgende Jahre im Ausland lebt, verliert man den dauerhaften Aufenthalt und damit auch den Anspruch auf Sozialleistungen und medizinische Versorgung.
Wenn man dann wieder nach Israel kommt, erhält man einen neuen Status, den eines Rückkehrers. Irgendwie beschreibt dieser knochentrockene Verwaltungsbegriff genau meine Situation: Ich werde mich niemals nicht wie eine Israelin fühlen, aber eine Ortsansässige bin ich auch nicht mehr.
Mir wurde flau: Sollten die fünf Jahre schon rum sein?
Tourist Der Angestellte gab sich große Mühe, mir zu erklären, dass ich ab Ende Oktober ein Tourist im eigenen Land sein werde. Mir wurde flau: Sollten die fünf Jahre schon rum sein? Klar, ich fühle mich zwar wie eine Berlinerin, aber eben noch nicht zu 100 Prozent. Ich habe mich für einen deutschen Pass beworben, aber das kann dauern, und keiner weiß, wie es damit weitergehen wird. Also hänge ich irgendwie dazwischen. Keine ganze Israelin, aber auch noch keine richtige Deutsche. Immigration kann manchmal echt anstrengend sein.
Dagegen sind Hohe Feiertage mit der kompletten Familie, hohe Ticketpreise bei Low-Cost-Airlines oder der Ausblick auf das Sitzen in einer Sukka bei Außentemperaturen von unter zehn Grad plus echt ein Spaziergang. Na dann: Chag Sameach!