Finale

Der Rest der Welt

Deutsche? Israelin? Beides? Foto: Stephan Pramme

Seit ich nach Berlin gezogen bin, war ich zum ersten Mal wieder zu den Hohen Feiertagen in Israel. Nicht, weil ich nicht gern hinfahre, sondern weil die Preise für Flugtickets einfach enorm hoch sind. Ich vermeide es deswegen, zu den Feiertagen zu fliegen, denn eigentlich hat auch niemand wirklich Zeit, sich zu treffen.

Aber nach ernst zu nehmenden Drohungen meiner Mutter und ihrem herzerweichenden, mütterlich-weinend-drohenden »Ich möchte doch einfach nur, dass wir wenigstens zum neuen Jahr zusammen sind« gab ich nach und flog hin. Das Gefühl, teils Touristin, teils Israelin zu sein, war, gelinde gesagt, seltsam.

Flugticket Ich landete sehr, sehr früh – der sonst höchste Ticketpreis war für diese Uhrzeit der günstigste –, und mir blieb nichts anderes übrig, als ein Taxi nach Tel Aviv zu nehmen. Allerdings wollte ich weder viel bezahlen noch ewig in der Schlange für die Taxis warten.

Ich will es nicht verbergen: Ein Gefühl von Stolz überkam mich.

Also ging ich kurz entschlossen auf die dritte Ebene, sah ein Taxi, aus dem gerade jemand ausgestiegen war, und sprang rein. Der Fahrer dachte zuerst, ich sei eine Touristin, erkannte aber an diesem gekonnten Sprung, dass jemand, der so etwas macht, nur Israeli sein kann.

Ich will es nicht verbergen: Ein Gefühl von Stolz überkam mich. Nachmittags war ich mit Freunden in einem Café verabredet und musste den Bus dorthin nehmen. Aber irgendwie hatte sich das Bezahlsystem geändert, denn die Busfahrer verkaufen keine Tickets mehr. Was also tun? Ich war aufgeschmissen und musste sogar andere Leute ansprechen, die mich entgeistert ansahen – einer dachte, ich bettele – und deren Gesichtsausdruck mir sagte: Wieso wissen Sie das nicht, wenn Sie Israelin sind? Ich erklärte, dass ich nicht in Israel lebe, und erntete erneut einen dieser Blicke.

Status Am letzten Tag musste ich zu meiner Versicherung, um herauszufinden, wie lange ich noch als Einwohnerin Israels gelistet bin. Denn wenn man länger als fünf aufeinanderfolgende Jahre im Ausland lebt, verliert man den dauerhaften Aufenthalt und damit auch den Anspruch auf Sozialleistungen und medizinische Versorgung.

Wenn man dann wieder nach Israel kommt, erhält man einen neuen Status, den eines Rückkehrers. Irgendwie beschreibt dieser knochentrockene Verwaltungsbegriff genau meine Situation: Ich werde mich niemals nicht wie eine Israelin fühlen, aber eine Ortsansässige bin ich auch nicht mehr.

Mir wurde flau: Sollten die fünf Jahre schon rum sein?

Tourist Der Angestellte gab sich große Mühe, mir zu erklären, dass ich ab Ende Oktober ein Tourist im eigenen Land sein werde. Mir wurde flau: Sollten die fünf Jahre schon rum sein? Klar, ich fühle mich zwar wie eine Berlinerin, aber eben noch nicht zu 100 Prozent. Ich habe mich für einen deutschen Pass beworben, aber das kann dauern, und keiner weiß, wie es damit weitergehen wird. Also hänge ich irgendwie dazwischen. Keine ganze Israelin, aber auch noch keine richtige Deutsche. Immigration kann manchmal echt anstrengend sein.

Dagegen sind Hohe Feiertage mit der kompletten Familie, hohe Ticketpreise bei Low-Cost-Airlines oder der Ausblick auf das Sitzen in einer Sukka bei Außentemperaturen von unter zehn Grad plus echt ein Spaziergang. Na dann: Chag Sameach!

Los Angeles

Adrien Brody: Kim Kardashian jagte mein Internet in die Luft

Adrien Brody kann für seine Rolle in »Der Brutalist« auf einen zweiten Oscar hoffen. Große Aufmerksamkeit bekam er zuletzt auch wegen eines Projekts, in dem er gar nicht mitspielt

 04.02.2025

Kulturkolumne

Die Willkür von Symbolen

Gedanken zu Swastika, Hakenkreuz und roten Dreiecken in Fernost

von Laura Cazés  04.02.2025

Kassel

Documenta-Gesellschaft veröffentlicht Verhaltenskodex

Die Weltkunstschau trete »jeder Form von Antisemitismus, Rassismus und jedweder anderen Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit« aktiv entgegen, heißt es darin

 03.02.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Von wegen Laufmaschen: Geschichten aus Strumpfhausen

von Nicole Dreyfus  03.02.2025

Eurovision

Der traurigste Tanz der Welt

Yuval Raphael überlebte den Nova-Rave am 7. Oktober. Nun vertritt sie Israel beim Song Contest

von Sabine Brandes  02.02.2025

Aufgegabelt

Jerusalemer Bagel

Rezepte und Leckeres

 02.02.2025

TV-Tipp

Paul Newman im großen Arte-Themenabend

Spielerdrama »Die Farbe des Geldes« und Doku über den US-Filmstar

 01.02.2025

Kultur

Uraufführung des Oratoriums »Annes Passion«

Über die Darstellung von Anne Frank in veschiedenen Kunstformen streiten Historiker und Autoren seit mindestens 70 Jahren. Das Oratorium von Evgeni Orkin entfacht die Kontroverse neu

von Valentin Schmid  31.01.2025

Nachruf

Grande Dame des Pop: Marianne Faithfull ist tot

In den »Swinging Sixties« war sie Mick Jaggers schöne Freundin - eine Zuschreibung, mit der sie später oft haderte. Nach Schlagzeilen und Drogensucht gelang ihr die künstlerische Wiederauferstehung

von Werner Herpell  31.01.2025