Letztes Mal habe ich an dieser Stelle über Mein Kampf geschrieben: Eine Freundin meines Freundes fand neben ihrem toten Vater auf dem Boden eine Pistole und eine Erstauflage von Hitlers Buch. Die Pistole warf sie in den Abfall, das Buch wurde mir in Aussicht gestellt.
Wenn Sie mich fragen, was für mich das Spannendste in den Sommerferien war, muss ich nicht lange nachdenken: natürlich die Übergabe von Hitlers »Bestseller«.
Schokolade Wir verabredeten uns in einem Zürcher Café. Ich überlegte mir, was ich der Frau schenken soll. Was gibt man in solchen Situationen? Geld wollte sie nicht, hatte sie am Telefon bereits gesagt. Ich kaufte eine große Packung »Merci«. Ich denke, für Hitlers Kampf sind braune, weiße und schwarze Schokostängel angemessen.
Die Frau zeigte große Freude an meinem Geschenk. Da wir in einem öffentlichen Café saßen, schob sie mir das braune Machwerk klammheimlich unter dem Tisch zu. Ich sah auf den ersten Blick: Eine Erstausgabe ist das nicht. Und in gutem Zustand leider auch nicht. Es war zerfledderter als mein Gebetbuch. Und das nehme ich immerhin fast jeden Tag zur Hand.
Pralinen Am liebsten hätte ich die »Merci«-Box wieder mitgenommen oder zumindest ein paar Pralinen davon in meine Tasche gesteckt.
Aber die Frau hatte das Geschenk gleich in ihre große Umhängetasche gelegt. Dann erzählte sie mir von ihrem Vater. Er sei kein Nazi gewesen, versicherte sie mir. Im Gegenteil. Er habe bei der Schweizer Post gearbeitet und im Dorf die größte Rosenzucht betrieben.
Vor vielen Jahren machte ich Kiddusch über einen Silberbecher eines chassidischen Wunderrabbis.
Ob ich Interesse an Rosenbüchern hätte, wollte sie wissen. Ich schüttelte den Kopf. Ihr Vater sei 87 Jahre alt geworden. Am Ende litt er nur noch: Diabetes, Gicht und Sehschwäche. Immerhin die Pistole, die hat er noch gefunden. Da ich auch Diabetes habe, fand ich den Verstorbenen schon etwas sympathischer. »Mit Ihrem Geschenk hätte mein Vater große Freude gehabt«, sagte sie. Er habe auch für Zeitungen geschrieben, zum Beispiel für ein regionales Schützenmagazin. Und jüdischen Humor habe er geliebt. Ephraim Kishon sei einer seiner Lieblingsschriftsteller gewesen.
Braun Ich schlug ein paar Seiten von Mein Kampf auf. Der rosen- und waffenfanatische Diabetiker hatte das Buch mit 1000 Anmerkungen verziert. Es sah aus wie der Babylonische Talmud mit den vielen Erklärungen rund um den Haupttext.
Ich seufzte. Ich durfte einmal einen Siddur aus dem 17. Jahrhundert berühren. Vor vielen Jahren machte ich Kiddusch über einen Silberbecher eines chassidischen Wunderrabbis. Aber so etwas Komisches wie dieses Buch hielt ich noch nie in Händen. Ich stellte es zu Hause neben eine Ausgabe von Pardon, wir haben gewonnen. Von: Ephraim Kishon.