Glosse

Der Rest der Welt

Glücklich scheitern oder Der kleine Unterschied zwischen Deutschen und Israelis

von Tal Rimon  08.09.2019 19:31 Uhr

Hingefallen? Kein Problem! Einfach wieder aufstehen Foto: Getty Images/iStockphoto

Glücklich scheitern oder Der kleine Unterschied zwischen Deutschen und Israelis

von Tal Rimon  08.09.2019 19:31 Uhr

In den vergangenen Wochen war es ja so unglaublich schön sommerlich. Wie schade, dass nun alles vorbei ist und es kälter wird. Um mich schon einmal darauf vorzubereiten, fiel mir eine coole Geschichte aus meinen Anfangstagen in Berlin ein.

Nämlich wie ich zum ersten Mal als Erwachsene Schlittschuhlaufen war. Alle Klischees, an die Sie jetzt vielleicht denken, trafen zu, und ich fiel nach noch nicht einmal einer Minute auf dem Eis auf sehr dramatische Weise direkt auf mein Gesicht. Für die anderen war es hochnotpeinlich – nicht einmal ein Foto machten meine Freunde von mir, weil sie sich so schämten.

Philosophie Ich hingegen fand es super, denn ich kann seit diesem Abend nicht nur durchschnittlich gut Schlittschuhlaufen, sondern ich weiß, dass Hinfallen zwar weh tut, aber keine Schande ist. Das wiederum erinnerte mich an einen kulturellen Unterschied zwischen Deutschen und Israelis, über den ich bis heute nachdenke. Die Angst, öffentlich Fehler zu machen oder zu scheitern. Und das wiederum ließ mich philosophisch werden.

Anfangs war es für mich überraschend, dass das Scheitern in Deutschland so gar nicht gern gesehen wird. Wir Israelis gehen damit ja ziemlich gelassen um. Gibt es einen Fehler, benennen wir ihn, überlegen, wie man ihn lösen kann, und machen vielleicht noch einen Witz darüber.

Als ich bei einem meiner ersten Jobs so vorgehen wollte, fanden meine Kollegen das gar nicht lustig. Dann gab es das »Dieselgate«, und es fiel mir wie Schuppen von den Augen: Einige Deutsche würden Fehler lieber bewusst kaschieren, als zu ihnen stehen und aus ihnen lernen.

Pflanze Das ist so tief verwurzelt in der Kultur, dass es mir vorkommt, als würden Menschen aus irgendeiner daraus resultierenden Übersprunghandlung nur so darauf lauern, dass andere Fehler machten, um sich dann selbst wieder gut zu fühlen.

Erst kürzlich stand ich mit einem Herrn in der Schlange an der Kasse. Er hielt eine Pflanze in der Hand, und wir kamen – weil ich dieses Gewächs nicht kannte und ihn fragte, was das genau sei – ins Gespräch. Er ließ mich raten. Ich nannte irgendeinen Namen, und plötzlich lachte er so laut, aber nicht mit mir, sondern über mich, dass es mir schien, als ob meine falsche Antwort der Höhepunkt seines Tages war.

Rat Immer heißt es, dass Deutschland innovativer werden muss, dass es flexibler sein sollte, um für Start-ups attraktiver zu werden. Mein altkluger Rat also ist: Erlaubt euch doch mal, Fehler zu machen. Schämt euch nicht, wenn ihr beim Eislaufen hinfallt, sondern feiert das Hinfallen.

Dieses Geheimnis habe ich jetzt aber nicht als Erste gelüftet: In Israel weiß jeder Unternehmer, dass man allein durch stetigen Erfolg gar nichts lernt. Die Freiheit, einen Fehler zu machen und aus ihm zu lernen, ist die Freiheit, innovativ zu sein.

Also werde ich auch bei anderen Gelegenheiten wieder flach aufs Gesicht fallen. Und dann hat vielleicht irgendeiner meiner Freunde auch schnell sein Smartphone zur Hand, um ein Foto zu machen.

Los Angeles

Adrien Brody: Kim Kardashian jagte mein Internet in die Luft

Adrien Brody kann für seine Rolle in »Der Brutalist« auf einen zweiten Oscar hoffen. Große Aufmerksamkeit bekam er zuletzt auch wegen eines Projekts, in dem er gar nicht mitspielt

 04.02.2025

Kulturkolumne

Die Willkür von Symbolen

Gedanken zu Swastika, Hakenkreuz und roten Dreiecken in Fernost

von Laura Cazés  04.02.2025

Kassel

Documenta-Gesellschaft veröffentlicht Verhaltenskodex

Die Weltkunstschau trete »jeder Form von Antisemitismus, Rassismus und jedweder anderen Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit« aktiv entgegen, heißt es darin

 03.02.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Von wegen Laufmaschen: Geschichten aus Strumpfhausen

von Nicole Dreyfus  03.02.2025

Eurovision

Der traurigste Tanz der Welt

Yuval Raphael überlebte den Nova-Rave am 7. Oktober. Nun vertritt sie Israel beim Song Contest

von Sabine Brandes  02.02.2025

Aufgegabelt

Jerusalemer Bagel

Rezepte und Leckeres

 02.02.2025

TV-Tipp

Paul Newman im großen Arte-Themenabend

Spielerdrama »Die Farbe des Geldes« und Doku über den US-Filmstar

 01.02.2025

Kultur

Uraufführung des Oratoriums »Annes Passion«

Über die Darstellung von Anne Frank in veschiedenen Kunstformen streiten Historiker und Autoren seit mindestens 70 Jahren. Das Oratorium von Evgeni Orkin entfacht die Kontroverse neu

von Valentin Schmid  31.01.2025

Nachruf

Grande Dame des Pop: Marianne Faithfull ist tot

In den »Swinging Sixties« war sie Mick Jaggers schöne Freundin - eine Zuschreibung, mit der sie später oft haderte. Nach Schlagzeilen und Drogensucht gelang ihr die künstlerische Wiederauferstehung

von Werner Herpell  31.01.2025