Der Sommer hatte gerade erst angefangen, und schon bescherte uns der Juni die höchsten Temperaturen seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Und genau diese Hitzewelle, wie die Sommertemperaturen mittlerweile genannt werden, stieß mich in eine Identitätskrise. Denn gerade in Berlin bildeten sich schnell zwei Gruppen: die einen, die sich über die Hitze freuen, sich im Biergarten treffen, an Seen fahren, in Parks sitzen und schlicht das Wetter genießen.
Und eben die anderen, darunter viele Touristen und Expats, die nicht nachvollziehen können, wie man bei diesen Temperaturen ohne Klimanalage auch nur einen Finger krumm machen kann, ohne dabei in Schweißausbrüche zu geraten.
Klimaanlagen sorgen bei mir eher für Panikattacken.
Facebook Sie teilen über Facebook Stadtpläne mit klimatisierten Restaurants, versuchen, die letzten portablen Klimaanlagen zu kaufen, oder buchen sich spontan Flüge in Länder, in denen es nachweislich eine Kühlung gibt. Zwischen den Hitzeschüben beklagen sie sich dann, wie sehr Deutschland doch hinterherhinkt, wenn es um Klimaanlagen im öffentlichen Nahverkehr oder in Gebäuden geht.
Wenn man wie ich im Nahen Osten aufgewachsen ist, geht einem die Hitze dort meist auf den Keks, und fast jeder Israeli, der nach Berlin kommt, hofft auf nicht so heiße und schwüle Sommer. Ich bin da allerdings eine Ausnahme. Mein Körper kann sich ganz gut irgendwie selbst kühlen, und Klimaanlagen sorgen bei mir eher für Panikattacken. Ich lebe bei warmem Wetter auf. Und anders als viele meiner lieben Landsleute motze ich auch nicht jede Sekunde über die Hitze. Schon der Gedanke, dass ich kurze, luftige Sachen tragen kann, versetzt mich in Super-Sommerlaune.
Identität Da ich also meine israelische Identität, was Temperaturen jenseits der 30 Grad angeht, verloren hatte, musste ich aber gleichzeitig feststellen, dass ich auch längst nicht richtig deutsch mit der Hitze umgehe.
Denn mir war bislang nicht bewusst, wie sehr sich die meisten hier vor heißem Sommerwind fürchten, der entsteht, wenn man mangels einer Klimaanlage mal richtig die Fenster aufreißt. Ich habe gelernt, dass man in diesem Fall von »Zugluft« spricht.
Deutsche halten Zugluft für gefährlich.
Zuerst dachte ich, es sei vielleicht ein skurriler Einzelfall, als kürzlich ein Mann neben mir in der – natürlich unklimatisierten – Straßenbahn mit einer dramatischen Handbewegung die kleinen schmalen Fenster ranknallen ließ. Tolle Idee! Innerhalb weniger Minuten verwandelte sich die Straßenbahn in eine fahrbare Sauna mit Haltestellenansage.
Rheuma Das brachte mich zu einer Umfrage unter meinen Freunden, die mir bestätigten, dass Deutsche Zugluft für gefährlich halten, weil sie befürchten, sich zu erkälten oder einen steifen Nacken zu bekommen.
Sogar Rheuma oder Lungenentzündung könnten drohen. Wie bitte? Einigermaßen beruhigt nahm ich dann eine Mitteilung des Deutschen Roten Kreuzes zur Kenntnis. Die Helfer raten, bei Hitze Ventilatoren anzumachen, die Fenster zu öffnen und der unwissenschaftlichen Annahme, Durchzug sei gefährlich, keinen Glauben zu schenken. Ganz meine Meinung.
Und ich rate zudem, sich mal innerlich abzukühlen und eine andere Jahreszeit auszusuchen, an der man rumnörgeln kann. Den Winter zum Beispiel! Ich liebe den Sommer – auch bei 40 Grad.