Aus schreckgeweiteten Augen starrt mich das kleine Mädchen an, um kurz darauf einen markerschütternden Schrei auszustoßen. Auch ihre Mutter glotzt mich mit herunterhängender Kinnlade an. Ich halte immer noch das Croissant von der Krankenhaus-Cafeteria in der Hand. Aber irgendwie ist mir der Appetit vergangen. Mein Blick fällt auf den Spiegel hinter dem Buffet.
Ich sehe tatsächlich aus wie Frankensteins Monster auf Heimaturlaub: Meine Visage ist vollgeklebt mit Drähten und Dioden, aus den Haaren ragen stachelartig Kabel und Elektroden hervor, verklebt mit einer pappigen neongrünen Masse.
krankenhaus Dabei hatte die nette Krankenschwester gemeint, ich könne ruhig auf dem Krankenhaus-Campus einen kleinen Spaziergang machen, ich würde unter den anderen Patienten gar nicht weiter auffallen. Sehr witzig! Auf dem Weg zurück ins Schlaflabor weichen alle anderen Patienten und Besucher respektvoll vor meinem Frankenstein-Look zurück. Das Schlaflabor, wessen Schnapsidee war das eigentlich? Na ja, eigentlich meine. Ich bin in letzter Zeit immer so müde, da hat mein Hausarzt mich zu einer Nacht in dieser Hightech-Anstalt verdonnert.
Die freundliche Schwester von vorhin wartet bereits an meiner Zimmertür, um mir weitere Kabel anzulegen.
Die freundliche Schwester von vorhin wartet bereits an meiner Zimmertür, um mir weitere Kabel anzulegen. »So, und jetzt ab in die Heia«, sagt sie wohlwollend, aber bestimmt. Heia? Es ist doch erst acht Uhr abends, protestiere ich. Nichts da, Licht aus und ab ins Bett, meint sie. Ich versuche, noch etwas zu lesen. »Schlafen, habe ich gesagt«, krächzt eine unfreundliche Stimme aus dem Lautsprecher. »Nicht lesen!«
Vor Schreck fällt mir mein Buch aus der Hand. Woher weiß sie …? Da entdecke ich in der Zimmerecke eine diskrete kleine Kamera. Na prima. Das ist ja wirklich eine anheimelnde und beruhigende Atmosphäre hier, in der ich bestimmt super einschlafen werde.
käfig Nichtsdestoweniger: Kurze Zeit später bin ich wirklich eingenickt … Ich träume von Hänsel und Gretel. Ich bin als Hänsel in einem Käfig eingesperrt, die Hexe reicht mir mit knochigen Fingern knusprig gebackene Elektroden und frittierte Kabelstückchen durch die Gitterstäbe. Krachend zermalme ich das Zeug zwischen meinen Kiefern.
Da legen sich eiskalte Finger auf mein Gesicht … Kreischend fahre ich aus dem Schlaf hoch.
Da legen sich eiskalte Finger auf mein Gesicht … Kreischend fahre ich aus dem Schlaf hoch. Zwei weiß gekleidete Gestalten beugen sich über mich und fummeln in meinem Mund herum. »Sie sollen doch nicht auf den Drähten herumkauen! Mund auf!« Brav öffne ich den Mund, damit die beiden mich neu verkabeln können. Unter gereiztem Bruddeln verlassen sie mein Zimmer, und ich falle in einen tiefen Schlaf, aus dem mich erst um neun Uhr morgens ein schriller Alarmton weckt.
Das Personal schmeißt mich ohne Umschweife aus dem Bett, das Zimmer muss freigemacht werden für die nächste arme Wurst, die hier eine Nacht verbringen muss. Die Kabel werden abgeschnitten, die Elektroden und Dioden kann ich selbst abnehmen. Und wiederverwerten: Denn zu Purim gehe ich dieses Jahr als Frankensteins Monster!