Wie nennt man es, wenn fünf Dutzend Jugendliche unbeaufsichtigt ein ganzes Wochenende in einer kalten, zugigen, angeranzten Hütte irgendwo in der Pampa verbringen, sich nur von Chips und kalten Kartoffeln ernähren, die ganze Nacht durchfeiern und sich zwischendurch Mayonnaise und Zahnpasta in die Haare schmieren? Schabbat Kwuza, der jährliche Ausflug der Jugendgruppe.
Und wenn die Kartoffeln auch noch um Tiefkühlschnitzel ergänzt werden, alles glatt koscher ist und das Ganze ein Vermögen kostet? Dann ist das die Schabbat Kwuza der Antwerpener Bnei Akiva.
Bnei Akiva Der Höhepunkt des Wochenendes ist wie immer der »Asch Laila«, also das nächtliche Wecken der Chanichim, wobei die Mayonnaise-Zahnpasta-Kombi wieder voll zum Tragen kommt und sich alle bei null Grad im Pyjama auf offenem Feld wiederfinden, Fackeln schwingen und Bnei-Akiva-Lieder brüllen.
Kurzum: Diese Ausflüge sind nur etwas für ganz hart gesottene Kinder, nichts für Weicheier mit schwachen Nerven.
Was aber, wenn das Weichei mit den schwachen Nerven unbedingt mitfahren will zum Schabbat Kwuza? Wenn das neunjährige, unsportliche weinerliche Brüderlein auch mal wie die coolen großen Schwestern sein will? Tja, dann sollte sich Muttern erst einmal eine Vorratspackung Valium holen und tief durchatmen, denn es stehen harte Zeiten an.
Noch eine Woche, bis der Bnei-Akiva-Bus abfährt, und das kleine Weichei ist völlig hysterisch. Der Koffer steht gepackt neben der Tür. Alles wird wieder ausgeräumt und in eine Sporttasche gequetscht, denn Koffer wirken so uncool. Dann bemerkt das Weichei, dass es keine coolen Klamotten hat, schmeißt alles aus der Tasche raus und zwingt seine Mutter zu einer nervigen Shoppingtour durch die Stadt.
Alsdann fällt dem Weichei ein, dass seine Haare zu lang sind und es einen coolen Haarschnitt braucht. Muttern chauffiert es zum Friseur. Was folgt, ist ein mittlerer Nervenzusammenbruch, denn die Haare sind zu kurz! Das Weichei versteckt alles unter einer übergroßen Baseballmütze und weigert sich, sie abzusetzen.
Baldrian Muttern wirft ein paar Baldrianpillen ein. Noch 48 Stunden, bis der Bus abfährt. Dem Weichei fällt ein, dass sein bester Freund Gili nicht mitfährt und es niemanden sonst in der Gruppe kennt. Mit zitternden Fingern hängt sich Muttern ans Telefon und bekniet Gilis Mutter, ihn doch auch mitzuschicken. Sie willigt ein. Noch 24 Stunden, bis der Bus abfährt.
Gili sagt, er will im Bus nicht neben dem Weichei sitzen. Das Weichei kriegt einen Ausraster. Muttern besticht es mit Bergen von Süßigkeiten. Als der Bus mit dem flennenden Weichei endlich abfährt, sind beide Eltern um Jahre gealtert. Der Schabbat Kwuza ist natürlich ein voller Erfolg, simsen die großen Schwestern. Noch nie habe sich das Weichei so gut amüsiert!
Und die Eltern? Die haben inzwischen in ein kinderfreies Spa-Hotel eingecheckt. Ob sie da sein werden, um das kleine Weichei Sonntagabend vom Bus abzuholen? Bei Redaktionsschluss war diese Frage noch offen.