Anderen Eltern geht es auch nicht besser. »Fast alle Mitschüler meines Sohnes besitzen ein Smartphone. Bisher fand ich das absurd. Jetzt denke ich anders«, schreibt »Spiegel«-Redakteur Hauke Goos in der jüngsten Ausgabe des Magazins.
Offenbar hat der Kollege das gleiche Problem wie ich: Seitdem mein Sohn das Gymnasium besucht, muss ich mir jeden Nachmittag nach Schulschluss beharrliches Gequengel anhören. Nur unseretwegen sei er vom WhatsApp-Chat der Klasse abgeschnitten, behauptet der Fünftklässler. Alle anderen hätten ein Smartphone. Fast alle! Nur er nicht!
anreiz Bisher habe ich auf diese Beschwerden mit der immer gleichen Antwort reagiert: »Vergiss es. Auf diesem Ohr bin ich taub! Ein Smartphone gibt es erst zur Barmizwa.« Der 13. Geburtstag erschien mir bislang als idealer Zeitpunkt, um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: meinen dann hoffentlich medienreifen Sohn in die digitale Selbstständigkeit zu entlassen und ihm einen zwingenden Anreiz zu bieten, die Zeremonie der Religionsmündigkeit in der Synagoge zu absolvieren.
Letzteres nur für den Fall, dass mein Sohn sich entschließen sollte, Atheist zu werden und die Barmizwa zu verweigern. Schließlich bin ich in puncto Halacha kein unschlagbares Vorbild, kann also schlecht mit den Mizwot argumentieren. Also muss eine materielle Verheißung her. Und was wäre da besser geeignet als das ultimative Sehnsuchtsobjekt eines jeden Grundschülers?
erpressung »Das ist doch Erpressung«, findet mein Mann. »Was hat das Smartphone mit der Barmizwa zu tun?« Das sagt er natürlich nur, weil er nicht die nächsten dreieinhalb Jahre lang jeden Tag mit meinem Sohn verhandeln möchte. Aus dem gleichen Grund, vermute ich, ist jetzt auch der Kollege aus Hamburg eingeknickt: Wenn der Sprössling in einem Jahr auf die weiterführende Schule wechselt, solle er sein Smartphone bekommen, verkündet der Vater im »Spiegel«. Als Rechtfertigung führt er an, der Mensch müsse sich an Neues gewöhnen.
Da der Kollege drei Jahre älter ist als ich, fällt ihm das vielleicht noch schwerer als mir – ich selbst kann mich nicht endgültig von meinem Klapphandy trennen und fremdele immer noch mit dem iPhone. Aber was soll ich als Begründung schreiben? »Chadasch Assur min ha-Tora« – die Tora verbietet jede Neuerung, wie es Rabbiner Moses Schreiber aus Pressburg formuliert hat? Das glaubt mir doch kein Mensch. Vor allem nicht mein Sohn.
Nein, ich möchte ihn nicht von der digitalen Entwicklung abschneiden. Aber ich möchte auch nicht, dass er gegen einen Laternenpfahl läuft, nur weil er einem Computerspiel nicht widerstehen kann. Keine weiteren Diskussionen: Vor seinem zwölften Geburtstag bekommt mein Sohn auf keinen Fall ein Smartphone. Und für die Barmizwa lasse ich mir bessere Argumente einfallen!