Finale

Der Rest der Welt

Status quo statt Teschuwa oder Drei Wünsche vor Rosch Haschana

von Ayala Goldmann  27.08.2018 19:02 Uhr

Drei Wünsche zu Rosch Haschana Foto: Getty Images / istock

Status quo statt Teschuwa oder Drei Wünsche vor Rosch Haschana

von Ayala Goldmann  27.08.2018 19:02 Uhr

Same procedure as every year: Rosch Haschana steht vor der Tür. Leider muss ich diesmal feststellen, dass ich immun bin gegen jeglichen Ehrgeiz, aus Anlass des Neujahrsfestes alles besser machen zu wollen – ob es die Weltlage betrifft, mein privates Umfeld oder das Wetter.

Gute Vorsätze? Fehlanzeige. Mir reicht es völlig aus, wenn im Jahr 5779 hier kein Bürgerkrieg ausbricht, alle gesund bleiben, es hin und wieder andere Themen gibt als Antisemitismus und Antizionismus und der nächste Sommer nicht noch heißer wird als 2018.

Meditation Möglicherweise ist das eine Altersfrage. Aber offenbar bin ich nicht die Einzige, die sich damit zufriedengibt, wenn alles so bleibt, wie es ist. In einer meiner Berliner Lieblingssynagogen steht an diesem Schabbat eine »kabbalistische Atem- und Achtsamkeitsmeditation zum Elul« auf dem Programm. »Der Elul führt uns zu unseren Werkseinstellungen zurück«, heißt es in der Ankündigung. Und weiter: Teschuwa, Umkehr, bedeute »hier nicht ›in die andere Richtung‹, sondern Wiederherstellung« – Letztere stellen die Veranstalter ihren Besuchern hoffnungsfroh in Aussicht.

Was Kabbala mit Achtsamkeit zu tun hat, ist mir zwar unklar, aber irgendwie muss man das Publikum ja anziehen. Mit Schofar und Slichot alleine kann man heutzutage keinen Juden und keine Jüdin mehr in die Synagoge locken – Elul hin oder her.

Doch was sind bloß die »Werkseinstellungen«? Soll das bedeuten: Wer nicht mehr an die Diktatur des Proletariats, das Paradies auf Erden oder sonstige Erscheinungsformen von Tikkun Olam, der Weltverbesserung, glaubt, sollte wenigstens versuchen, an den kleinen Schrauben des Lebens zu drehen? Ich für meinen Teil habe beschlossen, keine Plastikkapseln für die Kaffeemaschine mehr zu kaufen und Plastikdeckel bei »To-Go-Bechern« im Coffeeshop ab sofort zurückzuweisen. Ob das den Klimawandel aufhält? Wohl kaum. Aber ich fühle mich dabei fast so gut wie vor einem Jahr.

Laune Da wir schon darüber reden: Auch was die Laune betrifft, bleibt mein Ziel realistisch. Ich werde mich freuen, falls es mir gelingen sollte, im Jahresdurchschnitt 5779 nicht noch grantiger zu sein als 5778. Mögen meine Freund/innen und Kolleg/innen in einem Jahr entscheiden, ob mir das gelungen ist.

Falls nicht, werde ich mich selbstverständlich vor Jom Kippur 5779 bei allen Betroffenen vollumfänglich entschuldigen.
Des Weiteren setze ich auf einen jüdischen Dschinn, der hoffentlich noch rechtzeitig vor Rosch Haschana 5778 in Berlin-Friedenau erscheint und mir drei Wünsche erfüllt. Hier meine bescheidene Liste: Der Fisch soll nicht anbrennen, der Honigkuchen mit Natron möge in gleicher Höhe aufgehen wie der von 5777, und die Gäste sollen meine Kochkünste loben und 5779 wiederkommen.

Slicha, aber ich kann es nicht ändern: Auch zu Jom Kippur sind meine Ambitionen überschaubar. Um Verzeihung werde ich diesmal nur für eines bitten: dass die Teschuwa aus Mangel an Bußfertigkeit leider ersatzlos entfällt.

Doku

Über eine weitreichende Unwahrheit

»W. – was von der Lüge bleibt« (2020) nähert sich der Lebensgeschichte von Bruno Dösekker alias Wilkomirski, der die Identität eines Schoa-Überlebenden annahm

von Silvia Bahl  17.01.2025

Sehen!

»Traumnovelle«

Der Film arbeitet sich an den sieben anekdotischen Kapiteln der literarischen Vorlage von Arthur Schnitzler entlang

von Britta Schmeis  17.01.2025

Kino

»Wie eine Art Heimkehr«

Schauspielerin Jennifer Grey über den Film »A Real Pain« und Dreharbeiten in Polen

von Patrick Heidmann  16.01.2025

Nachruf

Der Soziologe und das »Gedächtnistheater«

Eine persönliche Erinnerung an Y. Michal Bodemann, der sich unter anderem mit Erinnerungspolitik in Deutschland beschäftigte

von Janine Cunea  16.01.2025

Kultur

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 18. bis zum 27. Januar

 16.01.2025

Freiburg

Kurde aus Syrien eröffnet israelisches Restaurant

Der Besitzer wird schon länger bedroht. Er lässt sich jedoch nicht abschrecken

von Christian Böhmer  16.01.2025

Malerei

First Ladys der Abstraktion

Das Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden zeigt farbenfrohe Bilder jüdischer Künstlerinnen

von Dorothee Baer-Bogenschütz  15.01.2025

Frankreich

Iris Knobloch bleibt Präsidentin des Filmfestivals Cannes

Sie ist die erste Frau an der Spitze des Festivals

 15.01.2025

London

Autor Neil Gaiman weist Vorwürfe sexueller Übergriffe zurück

Im »New York Magazine« werfen mehrere Frauen dem britischen Fantasy- und Science-Fiction-Autor entsprechende Taten vor. Nun äußert sich der 64-Jährige

 15.01.2025