Finale

Der Rest der Welt

Warum ich nicht zur Jubiläumsfeier meiner Jeschiwa gehe

von Beni Frenkel  09.04.2018 17:49 Uhr

»Die ersten Wochen verliefen sehr gut. Ich lernte zwölf Stunden am Tag.« Doch dann kam die vierte Woche ... Foto: Flash 90

Warum ich nicht zur Jubiläumsfeier meiner Jeschiwa gehe

von Beni Frenkel  09.04.2018 17:49 Uhr

Vor mehr als 25 Jahren wollte ich ein großer Rabbiner werden. Ich war damals ein lausiger Gymnasiast, der gegen alles aufbegehrte. Irgendwann wurde es meinen Eltern zu viel, und sie gaben meinem Drängen nach. Damals gab es in der Schweiz nur eine Talmudhochschule. Die war allerdings chassidisch geprägt.

Dass ich Jahre später mit langen Schläfenlocken nach Hause kehrte, wollten Vater und Mutter auf keinen Fall.
Also schickten sie mich nach England, wo es normale Talmudhochschulen gab. An einem kalten, regnerischen Tag stand ich vor der Jeschiwa in Gateshead. Hoch im Norden Englands.

Die ersten Wochen verliefen sehr gut. Ich lernte zwölf Stunden am Tag. Schnell konnte ich den Rückstand zu den anderen aufholen, die schon seit Kindheitstagen nur Religiöses lernten. In Woche vier – wahrscheinlich – wurde es mir langweilig. Immer nur Tora lernen! Aus den zwölf Stunden Torastudium wurden zehn, acht, sechs, und irgendwann erschien ich nur noch zu den Mahlzeiten.
Dann flog ich von der Jeschiwa.

Manchester Ich zog Richtung Süden, nach Manchester. Dort gab es auch eine Jeschiwa. Wieder versuchte ich, den Lerntakt einzuhalten. Diesmal machte ich bereits in Woche drei schlapp. Mann, so viel lernen! Ich zog mit Kameraden downtown und schaute hübschen Frauen nach. Besonders clever waren wir nicht. Denn einmal spielten wir in der Kantine der Jeschiwa Black Jack. Das sah natürlich jemand. Am Tag darauf flogen wir alle von der Jeschiwa. Die Jungs mit reichen Vätern durften bleiben.

Das ist jetzt schon mehr als ein Vierteljahrhundert her. Ich denke nur noch selten daran. Aber vergangenen Monat erhielt ich in kurzen Abständen je einen Brief der beiden Hochschulen. Ein Jubiläum stand an. Ich wurde eingeladen zum Bankett! Wer hätte das gedacht? Die Vergebung ist stärker als der Eifer.

Trotzdem warf ich die Einladungen in das Bündel mit Altpapier. Ich hätte sie längst vergessen, wenn nicht vergangene Woche ein Mr. Elefant und eine Mrs. Kernberg angerufen hätten. »Mister Frenkel, Sie haben unseren Brief noch nicht beantwortet. Dürfen wir mit Ihrer Präsenz rechnen?«

Geste Ich antwortete geschmeichelt, dass ich leider verhindert sei. Trotzdem vielen Dank für diese Geste. Es stellte sich heraus, dass die beiden Anrufer keine Ahnung hatten, dass ihre Jeschiwot mich einst rauswarfen.

»Oh, das tut uns very leid. Sie stehen halt auf unserer Ehemaligen-Liste. Nun, ähm, die zweite Frage: Dürfen wir mit Ihrer großzügigen Spende rechnen? Und wenn ja – how much?«
Natürlich nicht. Aber folgende Weisheit gibt’s gratis: Gelt kennt nischt kajn Punim (Gesicht).

K20 Kunstsammlung

Ungewöhnliche Werke von Marc Chagall in Düsseldorf zu sehen

Die Ausstellung mit 120 Werken beleuchtet Chagalls Auseinandersetzung mit Antisemitismus, Armut und Geschlechterrollen

von Nikolas Ender  13.03.2025

Liraz

Das Trillern der Utopie

Die israelische Sängerin ist stolz auf ihre persischen Wurzeln. In Europa kämpft sie mit Konzertabsagen

von Tilman Salomon  13.03.2025

Kino

Der Wandel des »Ka-Tzetnik«

Eine Doku widmet sich dem Schoa-Überlebenden Yehiel De-Nur und seiner Auseinandersetzung mit dem »Planeten Auschwitz«

von Dietmar Kanthak  13.03.2025

Kino

Bonhoeffers Vermächtnis »verfälscht und missbraucht«

In seinem umstrittenen Film stilisiert der amerikanische Regisseur Todd Komarnicki den Theologen und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer zu einer Erlöserfigur im Kampf gegen den nationalsozialistischen Terror

von Raimund Gerz  13.03.2025

Rechtsextremismus

Braune Musik verbreitet Hass: Rechtsrock in Deutschland

Rechtsextreme Musik trifft bei etlichen auf offene Ohren. Beobachter warnen: Die Rechtsrock-Szene blüht. Und sie kann ein »Türöffner« sein für rechtsextremistische Ideologien

von Alexander Lang  13.03.2025

Aufgegabelt

Hamantaschen mit Mohn

Rezepte und Leckeres

 13.03.2025

Pädagogik

Sicherheit vermitteln

Welche Herausforderungen der 7. Oktober mit sich bringt: Religionslehrer suchen Antworten auf schwierige Fragen beim jährlichen Treffen an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg

von Ayala Goldmann  13.03.2025 Aktualisiert

Glosse

Der Rest der Welt

Schlafanzug im Oval Office oder Warum wir mehr Pyjama wagen sollten

von Nicole Dreyfus  13.03.2025

Zahl der Woche

14. Adar

Fun Facts und Wissenswertes

 13.03.2025