Finale

Der Rest der Welt

Jetzt bin auch ich dafür: Live­streams für alle deutschen Synagogen! Foto: Thinkstock, Montage: Marco Limberg

Die amerikanischen sind uns jeckischen Juden wie immer einen Schritt voraus – sie haben schon vor einiger Zeit mit der Live-Übertragung von Gottesdiensten begonnen. Mir erschien das zunächst albern. Ich spreche aus eigener Erfahrung, wenn ich sage: Keinem, der es nicht aus dem Bett schafft, um zur Synagoge zu gehen, ist der Gottesdienst wirklich wichtig.

Nach weiterer Recherche fand ich aber heraus, dass diese Sichtweise lediglich auf meine jugendliche Naivität zurückzuführen ist: Das Angebot richtet sich nämlich vor allem an alte und kranke Gemeindemitglieder. Jetzt bin auch ich dafür: Live­streams für alle deutschen Synagogen!

follower Übrigens, selbst wenn die amerikanischen Juden damit begonnen haben: Die Livestream-Idee ist im Ursprung keine jüdische. Diesmal waren die Christen uns erheblich voraus. Wir gaben ihnen Jesus, sie zeigten uns, wie man Follower gewinnt und wirksames Marketing betreibt. (In Zahlen ausgedrückt: Bibel TV hat mehr als 20.000 Abonnenten auf Facebook!)

Unsere Entschuldigung: Wir brauchten etwas Zeit, um die technischen Widrigkeiten zu überwinden, die sich aus dem Ruhegebot an Schabbat ergeben. Aber jetzt sind wir mit dabei, und wir wären nicht wir, wenn wir die Idee nicht perfektionieren würden.

Ein Argument, das neben meiner Faulheit gegen solche Übertragungen sprechen könnte, ist, dass es bei Synagogenbesuchen nicht nur ums bloße Sehen, sondern vor allem ums Gesehenwerden geht. Ich schlage deshalb vor, dass angezeigt wird, wer mitschaut – kleines Pop-up-Fenster: Frau Goldberg ist online. Natürlich mit Chat-Funktion: Möchten Sie Frau Goldberg etwas zuflüstern? Klar: »Good Shabbes! Ihr Kleid sieht wirklich umwerfend aus!«

staffelung Zusätzlich müsste es auch eine Kommentar-Funktion geben, über die man sich besondere Lieder wünschen kann. Und da niemand mehr örtlich gebunden wäre, wäre auch eine zeitliche Staffelung der Übertragung aus unterschiedlichen Städten möglich: freitags etwas später »Wuppertal für Workaholics« und samstags nicht so früh »Leipzig für Langschläfer«.

Geradezu essenziell auch eine GoPro, eine kleine Action-Kamera auf Ihren Köpfen, liebe Damen und Herren Rabbiner – fürs ultimative Mit-dabei-Sein, wenn Sie aus der Tora lesen. Und keine Sorge, dass Sie damit nicht vorteilhaft rüberkommen könnten: Es sieht ja keiner mehr!

Mir persönlich käme es auch gelegen. Zugegebenermaßen bin ich keine eifrige Gottesdienstgängerin. Manchmal überkommt mich aber doch ein seltsam spirituelles Gefühl. Sie fragen sich, wann? Bei meinen morgendlichen Yoga-Übungen, dem Vor- und Zurückwiegen – so, wie Juden sich beim Beten eben bewegen. Und weil ich meine Übungen schlecht in der Synagoge machen kann, wäre der Livestream auch für mich die perfekte Lösung!

Doch zurück zur eigentlichen Zielgruppe: Für meinen Großvater könnte das wirklich eine tolle Möglichkeit sein, trotz seines Umzugs nach Düsseldorf die Kölner Gottesdienste anzusehen. Die einzige Person, die am Samstagmorgen dann noch immer früh raus müsste, wäre ich: um den Livestream für ihn einzuschalten.

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 27. Februar

 21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

Bayern

NS-Raubkunst: Zentralrat fordert schnelle Aufklärung

Der Zentralrat der Juden verlangt von den Verantwortlichen im Freistaat, die in der »Süddeutschen Zeitung« erhobenen Vorwürfe schnell zu klären

 20.02.2025

Kolumne

Unentschlossen vor der Wahl? Sie sind in guter Gesellschaft – mit Maimonides

Der jüdische Weise befasste sich mit der Frage: Sollten wir als Kopfmenschen mit all unserem Wissen auch bei Lebensentscheidendem dem Instinkt vertrauen?

von Maria Ossowski  20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025

NS-Unrecht

Jüdische Erben: »Bayern hat uns betrogen« - Claims Conference spricht von »Vertrauensbruch«

Laut »Süddeutscher Zeitung« ist der Freistaat im Besitz von 200 eindeutig als NS-Raubkunst identifizierten Kunstwerken, hat dies der Öffentlichkeit aber jahrelang verheimlicht

von Michael Thaidigsmann  20.02.2025

Literatur

»Die Mazze-Packung kreiste wie ein Joint«

Jakob Heins neuer Roman handelt von einer berauschenden Idee in der DDR. Ein Gespräch über Cannabis, schreibende Ärzte und jüdischen Schinken

von Katrin Richter  20.02.2025

Berlinale

Auseinandergerissen

Sternstunde des Kinos: Eine Doku widmet sich David Cunio, der am 7. Oktober 2023 nach Gaza entführt wurde, und seinem Zwillingsbruder Eitan, der in Israel auf ihn wartet

von Ayala Goldmann, Katrin Richter  19.02.2025

Berlin

»Sind enttäuscht« - Berlinale äußert sich zu Antisemitismus-Skandal

»Beiträge, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, überschreiten in Deutschland und auf der Berlinale eine rote Linie«, heißt es in einer Erklärung des Festivals

von Imanuel Marcus  19.02.2025