Katja Grubitzsch und Avi Bohbot haben sich um das jüdische Leben in Deutschland verdient gemacht: Endlich wurde die gesellschaftliche Problematik des Schalentier-Verbots für Juden ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Bei der Eröffnungsgala des Jüdischen Filmfestivals Berlin & Brandenburg schwenkten die beiden Designer im Potsdamer Hans Otto Theater niedliche rote Stofftiere mit großen Scheren, die sie als koschere Variante von Hummern bezeichneten – der meeresbewohnenden Gattung der Zehnfußkrebse.
Ob es sich um die Nachbildung von amerikanischen oder europäischen Hummern handelte, konnte ich aus der Entfernung leider nicht erkennen. Klar ist aber, dass Grubitzsch und Bohbot einen Nerv getroffen haben, denn wer sich an die Kaschrut hält, ist bei Gala-Events mit Austern, Hummern und Shrimps klar im Nachteil.
gourmet-underdog Doch haben wir Juden keineswegs Grund, uns selbst zu Gourmet-Underdogs zu machen. Schluss mit dem Gejammer, raus aus der Opferrolle, her mit »Imitation Lobster and Potato Chip Rolls«! Wir sollten von unseren amerikanischen Brüdern und Schwestern lernen, die nicht nur in diesem Punkt weiter sind als wir: Rezepte mit nachgemachtem Hummerfleisch (zum Beispiel Surimi aus Alaska-Pollack) kursieren seit Jahren im Internet. Und glaubt man der Expertise der Küchenchefs, schmeckt Pseudo-Hummer sowieso viel besser als das teure Original.
Lernen können wir auch vom früheren israelischen Oberrabbiner Yonah Metzger, dem Wegbereiter des »Koscher-Schweins«. Vor mehr als fünf Jahren hatte Metzger den Import einer biologisch gezüchteten Gänseart aus Spanien nach Israel erlaubt. Drei nichtjüdische Küchenchefs bestätigten Metzger den schweinefleischartigen Geschmack der spanischen Gänse. Endlich ging der jahrhundertealte Traum von der koscheren Haxe in Erfüllung! Seit Anfang Mai sitzt Metzger allerdings im Maasiyahu-Gefängnis in Ramle – woraus ganz Israel schließen kann, dass Geldwäsche im Gegensatz zu Gänsefleisch nicht koscher ist.
fischbrötchen Der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert wiederum, der am Sonntag vorzeitig aus demselben Gefängnis entlassen wurde, ist wenige Stunden später in einem Einkaufszentrum in Tel Aviv gesichtet worden. Meine Vermutung: Der wegen Korruption verurteilte Politiker war nach den kulinarischen Entbehrungen der vergangenen Monate entweder bei »Tiv Taam« – oder auf der Suche nach Krebsfleisch-Imitat oder koscheren Shrimps in einem rabbinisch zertifizierten Supermarkt. Vielleicht wollte er sich aber auch nur ein Fischbrötchen kaufen?
Ich jedenfalls finde, koscherer Hummer hat das Potenzial zum Patentrezept: Preislich ist er für Juden aller Gesellschaftsschichten erschwinglich. Und die Religiösen müssten sich nicht länger diskriminiert fühlen, wenn bei Cocktailpartys Imitatfleisch statt des Originals serviert wird. Vielleicht könnte sogar der Streit um die Kotel durch Pseudo-Hummer gelöst werden. Wann eröffnet die erste Fischbude am Robinson-Bogen?