Wer in Israel vor Jom Haazmaut in den Supermarkt geht, muss sich auf einiges gefasst machen: Die Geschäfte sind noch voller als sonst, Massen an Lebensmitteln werden in die großen Einkaufskörbe geschaufelt, Familienväter und -mütter spielen in den Kofferräumen ihrer Autos Einkaufstüten-Tetris.
Der erste Stau entsteht meistens schon in der an sich weitläufigen Gemüseabteilung. Dort begutachten nämlich ältere Herrschaften jede einzelne Gurke, die sie aus fein säuberlich aufgeschichteten Gurken-Pyramiden natürlich von ganz unten herausziehen, bevor sie eingepackt oder wahlweise wieder auf den Gemüseberg vor ihnen geworfen werden. Währenddessen werden nebenan die Tomaten argwöhnisch auf ihren Reifegrad geprüft. Auch bei den Melonen und Grapefruits gibt es ein Trommel- und Klopfkonzert.
Peproni Danach werden an den mediterranen Selbstbedienungstheken Oliven und Nüsse in großen Mengen verkostet, und man diskutiert lautstark über die Schärfe der frisch eingetroffenen Peperoni. Um die Kundenmassen – zumindest vor der Fleischtheke – in geordnete Bahnen zu lenken, haben viele Supermärkte vor Feiertagen Wartenummer-Systeme.
Ich bin ja mittlerweile ein geübter Einkäufer und ziehe mir klugerweise gleich zu Beginn meines Supermarktbesuches eine Nummer. Während ich meinen Einkaufswagen mit allerlei Lebensmitteln für meine Familie fülle, schiele ich immer wieder auf die große Anzeigentafel vor der Fleischausgabe. Als nach rund 20 Minuten meine Nummer fast erreicht ist, biege ich gekonnt aus dem Regal für Grillsoßen in einem 90-Grad-Winkel durch die Waschmittelabteilung, steuere direkt auf die Fleischtheke zu und stelle mich in die Reihe.
Naiv Vor mir wartet nur noch eine kleine, zierliche ältere Dame. Sehr lange kann es also nicht mehr dauern, denke ich – doch wie naiv! Denn dann beginnt sie mit ihrer Bestellung: zehn Kilogramm Rinderhack, acht Kilogramm Entrecote – natürlich in Scheiben –, vier Kilogramm Gulasch – das Fleisch bitte in kleine Stücke gewürfelt –, vier Kilogramm Hühnerbrust, filetiert, und noch eine ganze Menge Pargiot, um nicht die zwei geputzten Putenhälse zu vergessen. Während die äthiopisch-jüdischen Fleischer, ohne mit der Wimper zu zucken, ihre große Bestellung entgegennehmen, muss ich ob der schieren Mengen an Fleisch und meiner Wartezeit doch etwas schlucken.
Beeindruckt, und vielleicht auch etwas befremdet, beobachte ich, wie große Blöcke noch halb gefrorenen Rindfleischs durch den Fleischwolf gejagt werden. Meine Familie ist ja auch nicht gerade klein, aber solche Mengen habe ich noch nie bestellt. Ich komme auf ganze sechs Kilo. Jetzt muss ich alles nur noch zur Kasse schieben – aber da steht sie schon wieder, die ältere Dame. Offenbar war sie in der Zwischenzeit noch in einigen anderen Abteilungen, ihr Wagen quillt über.
Wenn ich in wenigen Stunden dann meine zig Beutel zu meinem Auto balanciere, diese mit meinen Tetris-Fertigkeiten verstaut habe, durch den Stau nach Hause gekommen bin, dann, ja dann stoße ich nicht nur auf den Jom Haazmaut an, sondern ein wenig auch auf mich.