Finale

Der Rest der Welt

Es gibt in meiner Familie Fragen, die uns jedes Jahr zu den Feiertagen beschäftigen und über die wir jedes Jahr wieder brav streiten. Die Antworten, auf die wir uns schließlich einigen, oder die Bedingungen eines Waffenstillstands, falls wir uns nicht einigen, vergessen wir natürlich zuverlässig bis zum nächsten Jahr. So ist es üblich, dass wir an Pessach ausführlich über die Frage »Kitniot, ja oder nein?« diskutieren.

Lange aß ich zum Fest fröhlich Reis, Mais, Hülsenfrüchte und Kichererbsen – zugegeben, das mag nicht besonders attraktiv klingen, aber nach drei Tagen Mazzot bedeutet es das Paradies. Wie ich mein Essverhalten begründete? Wir sind Sefardim! Dass mein Opa der Inbegriff eines aschkenasischen Juden ist und es bloß auf großmütterlicher Seite den Mythos gibt, wir seien eigentlich portugiesische Juden, hat mich nicht weiter beeindruckt.

DNA Das alles nahm ein Ende, als meine Tante vor Kurzem zwecks Ahnenforschung einen DNA-Test machen ließ, bei dem herauskam, dass wir alle der Inbegriff aschkenasischer Juden sind. Ich weiß nicht, was für mich schockierender war – die Vorliebe meiner Vorfahren, ihre Cousins und Cousinen zu heiraten, oder die Gewissheit, während Pessach nicht mehr mit gutem Gewissen Kichererbsen genießen zu können.

Weil also durch dieses Ergebnis ein wichtiger Teil unserer traditionellen Streitigkeiten wegfiel, habe ich für das Gemeinwohl der Familie und die Gesundheit meines Magens ein wenig recherchiert: Dass Kitniot an Pessach verboten sind, ist eine bedenkliche Erfindung aus dem 13. Jahrhundert – natürlich von den Franzosen.

Weil Kitniot zu der Zeit oftmals mit den zu Pessach verbotenen Getreidearten gemischt wurden, wollten die Rabbiner ganz sichergehen und stuften prophylaktisch gleich alles als Chametz ein. Das Komitee für Jüdisches Recht und Standards der amerikanischen Konservativen Juden beschloss aber 2015 – ganz fortschrittlich und nur 400 Jahre später –, dass heute diesbezüglich keine Gefahr mehr besteht.

Kichererbsen Mein Kichererbsensalatproblem ist also gelöst, und für genügend Gesprächsstoff während der nächsten zehn Pessachfeste ist außerdem gesorgt: Sollten wir uns wirklich an Entscheidungen konservativer amerikanischer Juden orientieren?

Es gibt übrigens noch eine weitere Frage, die uns in den letzten Jahren beschäftigt hat: Wer singt das »Ma Nischtana«? All meine Geschwister, Cousinen und ich selbst sind bereits über 20 Jahre alt und wissen mittlerweile, warum diese Nacht anders ist. Und obwohl wir natürlich gerne weiterhin darüber verhandeln würden, was wir nun im Austausch für den Afikoman bekommen, will keiner mehr ein geeignetes Versteck für ihn finden. Uns fehlt die nächste Generation!

Die Frage für dieses Pessach ist also: Wer sorgt endlich für den singenden Nachwuchs? Ich bin dieses Jahr zum Glück in Israel.

Omanut Zwillenberg-Förderpreis

Elianna Renner erhält Auszeichnung für jüdische Kunst

Die Schweizerin wird für ihre intensive Auseinandersetzung mit Geschichte, Biografie und Politik geehrt

 12.01.2025

Musik

»Das Klavier rettete sie«

Ein Gespräch mit der Filmemacherin Sheila Hayman über ihre berühmte Vorfahrin, Fanny Mendelssohn-Hensel, Feminismus und das Geheimnis der Ostersonate

von Katrin Richter  12.01.2025

Essay

Sichtbar und unsichtbar

Über Würde und Bürde jüdischer Erfahrungen – in Israel und in der Diaspora

von Natan Sznaider  12.01.2025

Zahl der Woche

10.027.000 Bürgerinnen und Bürger

Fun Facts und Wissenswertes

 12.01.2025

Aufgegabelt

Schnelle Babka mit Pesto

Rezepte und Leckeres

 12.01.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Über Sicherheit oder Warum wir den Schlüssel zweimal umdrehen

von Nicole Dreyfus  12.01.2025

Kulturkolumne

Kafka und die Dubai-Schokolade

Wie für eine kurze Zeit des Nicht-Besserwissens ganz wunderbar alle Erwartungen zerdeppert wurden

von Sophie Albers Ben Chamo  12.01.2025

Los Angeles

Trägerverein: Villa Aurora und Thomas-Mann-Haus unversehrt

Beide Häuser haben als Exil-Orte bedeutender Intellektueller während des Nationalsozialismus Bezug zu Deutschland

 11.01.2025

Kino

Die Literaturverfilmung der »Traumnovelle«

Arthur Schnitzlers Erzählung wird für diese filmische Umsetzung ins heutige Berlin verlegt

 11.01.2025