Wenn man umzieht, vergleicht man zwangsläufig die alte mit der neuen Heimat. Umso mehr, wenn man nicht nur eine Häuserecke weiterzieht. Mit meiner Frau und unseren drei Kindern bin ich vor Kurzem nach Israel ausgewandert. Und gerade dabei ist Flexibilität gefragt – und Humor! Exemplarisch für die alltäglichen Eigenheiten unserer neuen Heimat ist meine Erfahrung mit der israelischen Post. Denn die lässt sich – durch die rosarote Brille eines zionistischen Neueinwanderers betrachtet – am besten mit dem Begriff »Entschleunigung« umschreiben.
Angefangen bei den 25 Umzugskartons, die stückchenweise im Laufe von sechs bis zwölf Wochen zur Abholung in einem etwa 30 Kilometer entfernten Postlager bereitstanden, bis hin zu alltäglichen Zustellungen ist nämlich die rote israelische im Vergleich zur gelben deutschen Post in Sachen Effizienz und Geschwindigkeit kaum zu unterbieten.
Abenteuer Dass ich meine sonnenvergilbten Bücherkisten in einem Freiluftlager abholen musste, störte mich dabei gar nicht so sehr. Zugegeben: Dass sie derart ramponiert und zerfleddert waren, lag vielleicht auch daran, dass ich vor der Abreise aus Berlin mit ebenjenen Kartons zum ersten Postamt hinter der polnischen Grenze gefahren war. Nicht nur, weil das Porto dort im Vergleich zu Deutschland weniger als die Hälfte kostet, sondern auch, weil ich mir meine Alija immer als großes Abenteuer vorgestellt hatte. Und was, bitte schön, ist abenteuerlicher, als in Slubice 25 Zollinhaltserklärungen für einen Berg von Paketen nach »Izrael« auszufüllen?
Gewöhnungsbedürftig war eher, dass in Israel auch die reguläre Post nicht bis ins Haus gebracht wird. Stattdessen gibt es in unserem Moschaw eine kleine Poststation, an der man sich trifft, plaudert und Rezepte für den Schabbat austauscht. Natürlich kennt die freundlich-neugierige Postmitarbeiterin schon unsere Lebensgeschichten sowie allen Klatsch und Tratsch aus dem Dorf. Und während im Moschaw Rechnungen nicht einmal in Kuverts gesteckt werden, hat sie besonders wichtig aussehende Briefe ohnehin am Vortag bereits meiner Schwiegermutter mitgegeben – Einschreiben mit persönlicher Adressierung werden oft überbewertet.
Sabra-Kakteen Überhaupt habe ich mir hier schnell abgewöhnt, täglich den Briefkasten zu checken. Denn die Langsamkeit der Post hat auch bei mir zu innerer Entschleunigung geführt. Und so spaziere ich nun einmal die Woche zehn Minuten über die Felder, vorbei an blühenden Sabra-Kakteen, zur Post.
Wenn wirklich einmal etwas Wichtiges ankommt, wie zu Chanukka ein Geschenk aus Wien für meine Kinder, dann kann ich sicher sein, dass die nette Dame anruft, um uns über dieses mysteriöse Päckchen aus Europa zu unterrichten. Durch die rosarote Alija-Brille betrachtet, ist das ein Traum – ich behalte sie noch ein wenig auf. Auch im Supermarkt, im Stau auf der Straße und bei Behördengängen.