Neulich, als ich in meinem Büro den Geschmack von Freiheit und Abenteuer vermisste und darüber nachdachte, alleine in die untergehende Sonne zu reiten und als freie Reporterin nur noch investigative Reportagen zu schreiben, fiel mir in der »Times of Israel« eine Annonce des Mossad auf: »Wanted – Women of Strength!« Neugierig klickte ich die Website des israelischen Geheimdienstes an (www.mossad.gov.il) und fühlte mich sofort angesprochen: »Es interessiert uns nicht, was Sie getan haben. Es interessiert uns, wer Sie sind!«
Mit seiner ersten Stellenkampagne für Frauen will der Geheimdienst den Anteil weiblicher Mitarbeiter steigern. Ich bin dabei! Eben habe ich begonnen, den Fragebogen auszufüllen. Dabei ist mir aufgegangen, dass der Mossad sehr flexibel ist. Bei »Zahl der Kinder« kann die Bewerberin zwischen 0 und 20 wählen – alles andere wäre ja Diskriminierung charedischer Frauen. Anschließend wird gefragt, ob man »Pläne für die nächste Zukunft« hat.
Mossad Ich habe überhaupt keine Pläne – wenn der Mossad mir eine spannende Mission anbietet, werden mein Mann, mein Sohn und mein Arbeitgeber sicherlich Verständnis dafür haben, dass ich erst einmal weg bin. Alles zum Wohle des jüdischen Staates und seiner Sicherheit!
Apropos Sicherheit, da gibt es natürlich einen Haken. Der Fragebogen beginnt unverfänglich: »Haben Sie bei Zahal gedient? Hatten Sie Kontakt zu einem Offizier für seelische Gesundheit? Hat sich im Laufe Ihres Wehrdienstes jemand über Sie beschwert? Wurden die Vorwürfe untersucht?« Kein Problem für mich, ich war nie in der Armee.
Doch gleich darauf geht es um Alkoholkonsum, Drogen, Spielsucht, Therapien und Spionage – und ob man jemals mit Gewalt oder »wirtschaftlichen Mitteln« versucht hätte, das demokratische System zu stürzen. Außerdem soll man enge Freunde und deren Religion aufzählen – und alle Ärzte, die man je gesehen hat, von der Schweigepflicht entbinden.
Muslim Mist, das war es dann wohl. Wenn der Mossad erfährt, dass ich mit Muslimen und Sikhs befreundet bin, hat sich das Bewerbungsverfahren schnell erledigt. Aber vielleicht muss ich nicht gleich alles über mich erzählen? Bewerberinnen sollen übrigens drei von 18 für sie bezeichnende Eigenschaften ankreuzen. Ich entschied mich für »Furchtlosigkeit, Neugier und Unabhängigkeit«. Oder hätte ich lieber »Stabilität, analytisches Denken und Gründlichkeit« wählen sollen?
Schwer zu sagen, wie die Personalabteilung des Mossad tickt. Wäre doch schade, wenn ich schon in der Vorauswahl rausfliege – jetzt, wo ich nach fast 30 Jahren Journalismus endlich eine berufliche Alternative gefunden habe, die zu mir passt. Nach »Verschwiegenheit« hat der Mossad nicht gefragt. Aber vielleicht werde ich, wenn ich strategisch richtig vorgehe, bald zum Bewerbungsgespräch eingeladen und habe dann eine gute Antwort auf die Frage: »Was sind Ihre Schwächen?« Ayala Goldmann