Finale

Der Rest der Welt

Falls Sie mal ein Wochenende in Antwerpen verbringen wollen, gebe ich Ihnen einen heißen Tipp: Bleiben Sie Sonntagabend zu Hause, schließen Sie alle Fenster. Denn am Sonntagabend stellt Antwerpen den Müll raus. Über der Stadt wabert dann eine dichte Wolke von Müllaroma, die das Atmen erschwert und mich zur Weißglut treibt.

Denn eigentlich ist der offizielle »Müll-Raus-Tag« der Montag, und eigentlich ist es streng verboten, den Müll schon Sonntagabend rauszustellen. Zuwiderhandlungen werden mit Geldbußen geahndet. Geldbuße! Dass ich nicht lache. Hier in Belgien machen sowieso alle, was sie wollen. Und niemand tut was dagegen. Nicht einmal die Müllabfuhr bekommt die belgische Chaosgruppe richtig geregelt. Besonders verbittert bin ich im Sommer, wenn die Freibäder voll von grölenden, mit Bierdosen werfenden, einen Pfad leerer Chipstüten hinter sich lassenden Proleten ist.

Bademeister Warum gibt’s hier nicht ein paar Verbotsschilder? Oder einen Bademeister? Auf dem Wasser treibt meist ein schleimiger Algenteppich, verziert mit Stanniolpapier, vor sich hin. Putzt hier eigentlich mal jemand?

Damit ist dieses Jahr endgültig Schluss. Ich entführe meine Familie in das deutsche Ordnungs- und Sauberkeitsparadies. Die cleanste, ordentlichste und aufgeräumteste Stadt von allen – Stuttgart, meine Lieblingsstadt. Schon wenige Tage später sind wir im aseptischen Stuttgarter Freibad. Juchzend springen die Kinder ins knallblaue Wasser.

Es ertönt ein Trillerpfeifchen, und Personal in schnittigem Weiß rückt an. »Von der Seite einspringen verboten«, trillert das Personal. Wir verziehen uns mit unseren Schwimmreifen in die andere Ecke des Beckens. »Halt!«, trillert eine weitere Person in Weiß. »Gegenstände mit Überlänge bitte nur im Nichtschwimmerbecken!« Überlänge? »Ja, alles über 20 Zentimeter Länge, 15 Zentimeter Breite«, kommt die trillernde Antwort. »Die spinnen, die Stuttgarter«, murmelt mein Mann, scheucht die Kinder aus dem Becken und packt die Wurstbrote aus. Triller! »Lassen Sie mich raten«, sage ich zu den Weißen. »Kein Essen in unmittelbarer Nähe des Schwimmbeckens?« Sie bejahen unisono.

Wertstoffinsel Brav verzehren wir unsere Brötchen in 20 Meter Entfernung. Mein Sohn lässt seinen angebissenen Apfel auf den Boden fallen. Triller! »Bitte entsorgen Sie das in der nächsten Wertstoffinsel!«, rügt uns das Personal. Wertstoffinsel? »Die meinen den Mülleimer«, wispere ich.

Als Nächstes macht mein Mann ein paar Fotos von den Kids am Beckenrand. »Bitte unterlassen Sie dies«, trillert das Personal. »Fotos von Kindern zu schießen, ist verboten, da wir nicht kontrollieren können, ob sie wirklich ein befugtes Elternteil des Kindes sind!« »Mein Papa ist kein verfugtes Ententeil«, meint meine Tochter beleidigt. Worauf das Personal sich erweichen lässt. »Na gut: ein Foto pro Kind. Danach den Fotoapparat aber bitte im dafür vorgesehenen Schließfach verstauen, das Sie bitte mit dem bargeldlosen Chip verriegeln, der an der Kasse hinter dem äußeren Freibereich unter Vorlage des Personalausweises erhältlich ist!«

Mein Mann und ich starren den Schwimmbadfuzzi mit offenem Mund an. Vor meinem inneren Auge sehe ich die freundlich im Schwimmbecken wabernden belgischen Algenteppiche, auf denen in der Sonne fröhlich das Stanniolpapier glitzert. Und weit und breit kein Trillerpfeifchen und kein Personal.

Aufgegabelt

Mazze-Sandwich-Eis

Rezepte und Leckeres

 18.04.2025

Pro & Contra

Ist ein Handyverbot der richtige Weg?

Tel Aviv verbannt Smartphones aus den Grundschulen. Eine gute Entscheidung? Zwei Meinungen zur Debatte

von Sabine Brandes, Sima Purits  18.04.2025

Literatur

Schon 100 Jahre aktuell: Tucholskys »Zentrale«

Dass jemand einen Text schreibt, der 100 Jahre später noch genauso relevant ist wie zu seiner Entstehungszeit, kommt nicht allzu oft vor

von Christoph Driessen  18.04.2025

Kulturkolumne

Als Maulwurf gegen die Rechthaberitis

Von meinen Pessach-Oster-Vorsätzen

von Maria Ossowski  18.04.2025

Meinung

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  18.04.2025

Ausstellung

Das pralle prosaische Leben

Wie Moishe Shagal aus Ljosna bei Witebsk zur Weltmarke Marc Chagall wurde. In Düsseldorf ist das grandiose Frühwerk des Jahrhundertkünstlers zu sehen

von Eugen El  17.04.2025

Sachsenhausen

Gedenken an NS-Zeit: Nachfahren als »Brücke zur Vergangenheit«

Zum Gedenken an die Befreiung des Lagers Sachsenhausen werden noch sechs Überlebende erwartet. Was das für die Erinnerungsarbeit der Zukunft bedeutet

 17.04.2025

Bericht zur Pressefreiheit

Jüdischer Journalisten-Verband kritisiert Reporter ohne Grenzen

Die Reporter ohne Grenzen hatten einen verengten Meinungskorridor bei der Nahost-Berichterstattung in Deutschland beklagt. Daran gibt es nun scharfe Kritik

 17.04.2025

Interview

»Die ganze Bandbreite«

Programmdirektorin Lea Wohl von Haselberg über das Jüdische Filmfestival Berlin Brandenburg und israelisches Kino nach dem 7. Oktober

von Nicole Dreyfus  16.04.2025