Bei dieser Berlinale geht es, das behauptet Festivalleiter Dieter Kosslick, um das »Recht auf Glück«. Ich finde, ich habe auch ein Recht auf Glück, aber leider spricht der Mann mit dem roten Schal nur sehr bedingt für mich. Sie denken wohl, ich Glückliche verbringe die 66. Internationalen Filmfestspiele Berlin auf Wolke sieben, bei Glamour-Pressekonferenzen mit George Clooney, Meryl Streep & Co.? In Wirklichkeit habe ich Clooney nicht mal von hinten gesehen – nur Emma Thompsons schreiende Fans, als der Star-Konvoi am Potsdamer Platz vorfuhr.
Stattdessen habe ich unzählige Stunden damit verbracht, die israelischen Filme am Bildschirm zu sichten. Schon mal versucht, das Programm Google Widevine zu öffnen, um in die »Berlinale-Cloud« vorzudringen? Es war ein höchst traumatischer Abend, als ich es vor Beginn der Festspiele immer wieder vergeblich probierte – bis ich mir kurz vor Mitternacht die Kugel geben wollte. Nur mein Mann und mein Sohn haben mich vom Äußersten abgehalten. Dann stellte sich heraus, dass Google Widevine auf sehr vielen Rechnern gar nicht funktioniert.
horror-doku »Von solchen Programmen sollte man die Finger lassen«, warnte mich am nächsten Morgen ein Techniker, »Google kann genau sehen, wann und wo Sie welchen Film angeschaut haben!« Ich fand die Vorstellung gruselig: Vielleicht sitzt ein unsichtbarer Kameramann in einer Google Cloud, um von dort aus Journalisten auszuspähen – und mich dann, schreiend und Haare raufend, bei der 67. Berlinale in einer Horror-Doku vorzuführen?
Beim Web-Support der Filmfestspiele erfuhr ich dann, dass Google Widevine sich nur in Kombination mit Google Chrome öffnet, während in der Anleitung von Google Widevine leider das Gegenteil behauptet wurde.
Kurz vor der Berlinale haben übrigens 313 Spam-Mails meinen Rechner verstopft, als Folge irgendeiner E-Mail eines Produzenten an akkreditierte Journalisten: »Nehmen Sie mich aus dem Verteiler!« »Kann jemand den Wahnsinn stoppen?« »Hören Sie auf, diese Mails zu beantworten!« Eine einzige offizielle Mail mit Erklärung, wie ich in die Cloud komme, hätte mir gereicht!
google chrome Zum Glück haben meine nicht mehr jungen, aber höchst fortschrittlichen Eltern, die ich vor dem Festivalstart besucht habe, Google Chrome auf ihrem Rechner, sodass ich bis drei Uhr morgens Filme gucken konnte. Sonst hätten unsere Leser nie erfahren, welche israelischen Werke gezeigt werden.
Früher war alles besser. Die Berlinale hatte einen Sichtungsraum. Es gab DVDs zur Ausleihe. Man wurde nicht alle sieben Minuten an den spannendsten Stellen aus der Cloud geworfen. Allerdings hat ein einziger Film, in dem ein schwuler Israeli sich mit seinen religiösen Eltern versöhnt, mir zu 90 Minuten auf Wolke sieben verholfen. Danach hatte ich die 27 Stunden Technikfrust fast vergessen. Vielleicht gibt es sogar für mich das Recht auf ein kleines bisschen Glück bei der Berlinale?