Harte Zeiten für die »Jews for Jesus«, ausgerechnet zur Weihnachtszeit: Kurz vor dem dritten Advent hat sich der Vatikan von der Judenmission distanziert! Die Reaktion der jüdischen Fans von Jeschua, dem Messias, fiel harsch aus: Der Apostel Paulus wäre über solche Äußerungen »entsetzt«, erklärte der Direktor der Jews for Jesus, David Brickner aus San Francisco.
Auch Katholiken hätten »die frohe Botschaft des Evangeliums zuerst aus dem Mund von Juden gehört, die für Jesus waren«. Brickners Ärger ist nachvollziehbar: Mit seiner Absage an eine spezielle Judenmission hat der Vatikan nicht nur den Glauben, sondern auch das Geschäftsmodell der bekehrten Juden infrage gestellt.
Wattstärke Allerdings frage ich mich, warum sich die Jews for Jesus so sehr an der Meinung des Vatikans reiben. Seit wann interessieren sich Protestanten für Weisungen aus Rom? Kann der Papst wahren Jüngern die Weihnachtsfreude verderben? Oder leuchten die Kerzen an deren Tannenbaum nun extra hell, in dreifacher Wattstärke? Vermutlich zitieren die Judenchristen am Heiligen Abend die bekannte Stelle aus dem Matthäus-Evangelium: »Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern.« Spätestens am zweiten Weihnachtsfeiertag, wenn der Gänsebraten verdaut ist, werden sie genügend Kalorien umgesetzt haben, um sich für den jährlichen Einsatz auf Berliner Straßen zu wappnen, trotz der »bad vibrations« aus dem Vatikan.
Doch warum die bösen Spitzen? Man sollte niemanden wegen seines Glaubens verurteilen. Außerdem habe ich bisher jedem Missionierungsversuch erfolgreich widerstanden: Als Studentin in Israel landete ich in einer Jugendherberge der Jews for Jesus in Eilat. Wie die anderen jüdischen Touristen aß ich die angebotene Suppe und verschmähte die frohe Botschaft, zur Enttäuschung der Betreiber, die uns den Missionsbefehl nahebringen wollten.
Brooklyn Überhaupt könnte man angesichts der aktuellen Weltlage zu der Erkenntnis kommen, dass es schlimmere Gefahren für uns Juden gibt als ein paar Leute, die genau wissen, wer der Messias ist – während wir seit Tausenden von Jahren auf einen Mann (oder eine Frau?) warten, den (oder die?) kein Mensch zuvor je gesehen hat (außer vielleicht ein paar Leute in Brooklyn).
Niemand von uns muss sich also in Fußgängerzonen stellen, um die »Juden für Jesus« mit der Popversion des Maschiach-Songs »Ani Maamin« zu übertönen. Machen wir es uns während der freien Tage in unseren Wohnzimmern bequem, laden wir ein paar Freunde ein und freuen uns, dass wir keine Geschenke mehr umtauschen müssen (weil wir nach unserem Lichterfest alles längst retourniert haben). Und vielleicht zitieren wir das ewig aktuelle Gedicht von Erich Mühsam: »Es feiert jeder Arier/zu gleicher Zeit und überall/die Christgeburt im Rindviehstall./Das Volk allein, dem es geschah,/das feiert lieber Chanukka.«