Schon seit Tagen darf ich mir von meiner Tochter Emma jeden Tag nach der Schule dieselbe Jeremiade anhören: Alle Mädchen hätten ein Smartphone mit Whatsapp, Instagram und Facebook – nur Emma nicht. Alle seien »in«, nur Emma sei »out«.
Nach einigen Tagen zermürbenden Rumgejammmers bin ich endlich weichgekocht und entwickele eine geniale, aber kostengünstige Idee: Einige Klicks auf meinem eigenen Whatsapp-Profil und schon erstrahlt dort Emmas Konterfei statt meinem, ihr Name nebst einigen Blümchen und Herzchen – voilà: Emmas Online-Präsenz ist fertig. Schon einige Sekunden später macht es Ping, und Emma wird unter Fanfarengeschall in die Whatsapp-Gruppe der dritten Klasse aufgenommen und hat endlich ein Leben!
Whatsapp Am nächsten Morgen um sechs ist die Whatsapp-Gruppe bereits wach: Ping, macht mein Handy – Ping, Ping, Ping. Und einige der frühreifen kleinen Gören schicken Fotos von ihren Frühstücksflocken, ihren Hamstern oder ihren neuen, sehr engen Jeans. Auf dem Weg ins Büro nimmt das Pingen kein Ende.
Und als ich meinen Computer hochfahre, habe ich 26 hirnrissige neue Nachrichten. Gerade, als ich mein Handy vor Wut an die Wand pfeffern will, Ping, schickt ein Gör ein wirklich schockierendes Foto von sich selbst mit neongrünen Augen und rosa Haaren, erstellt mit der neuen »Change me«-App, steht unter dem Foto. Hm, das muss ich mir sofort angucken.
Und tatsächlich: Diese Wunder-App schießt Selfies und verändert dabei die Farben. Klasse, muss ich gleich ausprobieren. Endlich blond! Ich mache ein paar ganz coole blonde Fotos von mir. Dann suche ich in meinem App-Store und finde außerdem noch eine »Beautify me«-App, die einem einen zauberhaft ebenmäßigen Teint verleiht, eine »Fett weg«-App, die Bilder ganz subtil etwas in die Länge zieht und so Kilos wegschummelt, eine »Perfect Hair«-App gibt es natürlich auch.
Make-up Auf dem neuesten Selfie sehe ich endlich perfekt aus! Triumphierend schicke ich mein neues Ich an die Whatsapp-Gruppe. »Wers’n das?«, pingt eines der Gören: »Das ist meine Mama«, pinge ich als Emma mit stolzgeschwellter Brust zurück. Das Gör: »Entschuldige Emma, aber deine Mama ist klein und moppelig. Das wissen wir alle«, »Genau«, schreibt Gör Nummer zwei. »Ihre Haare sind immer ganz strubbelig, nicht so wie auf dem Foto, und ihr Gesicht ist immer ganz verknautscht und pickelig«, nöhlt Gör Nummer drei. »Das kannst du auch mit dem besten Make-up nicht wegkriegen, sagt meine Mama immer!«
Jetzt platzt mir der Kragen, und ich pinge Gör eins an, dass ihre Mama gelbe Zähne hat, und an Gör zwei, dass ihre Mama Säbelbeine und fettige Haare hat, und Gör drei teile ich mit, ihre Mama habe einen Riesenhintern. Rums! Ein Geräusch wie Türenknallen kommt aus meinem Handy: Gör eins hat die Gruppe verlassen. Gör zwei und drei folgen stehenden Fußes mit lautem Türenknallen, ebenso alle anderen Gören. Bis ich, alias Emma, allein mit meiner Whatsapp-Gruppe dastehe.
Na super. Mit wenigen Klicks habe ich das Social Life meiner Tochter vollständig ruiniert. Ich glaube, ich bin ihr was schuldig – zum Beispiel das allerschickste, hypermodernste Smartphone.