Finale

Der Rest der Welt

Als Single-Frau in ihren 30ern hat man es heutzutage nicht leicht. Jeder, wirklich jeder, scheint eine Meinung über diese unverheiratete Spezies zu haben, die mehr oder minder selbstbewusst ihr Unwesen inmitten unserer Gesellschaft treibt.

Im Gegensatz zur Kritik an jungen Müttern, die aktuell wie aufgescheuchte Hennen ganze Großstädte terrorisieren, muss man seine Meinung über besagte Singles jedoch nicht hinter vorgehaltener Hand äußern. 30-jährige weibliche Singles sind Freiwild – im wahrsten Sinne des Wortes. Hier darf jeder jagen, mitreden, kritisieren, erziehen und kommentieren.

Furore Über diese Tatsache bin ich, 30, unverheiratet, wieder einmal gestolpert, als kürzlich ein Autor der Tageszeitung »Die Welt« einen Kommentar unter dem Titel »Warum Männer unter Frauen leiden, die 30 werden« veröffentlichte und damit für Furore sorgte.

Seine Kollegin konterte wenige Tage danach mit ihrer Version, die sie mit »Wenn Frauen 30 werden, wird’s erst richtig gut« betitelte, und brach damit eine Lanze für ihre Leidensgenossinnen. Mit Bedacht las ich beide Texte, während meine Mutter am anderen Ende der Leitung fragte, ob ich an Erew Rosch Haschana lieber Lamm oder Kalb essen würde.

Innerlich lachte ich über den naiven Luxus dieser nicht an eine Mikrogesellschaft gebundenen Autoren. Denn während meine nichtjüdischen Freundinnen federleicht und selten panisch in ihre Dreißiger glitten, weiß ich aus eigener Erfahrung, dass innerhalb der jüdischen Gemeinschaft 30 definitiv nicht das neue 20 ist, von dem mir sämtliche Lifestyle-Magazine erzählen wollen. Bestätigt wird meine These nicht zuletzt dadurch, dass man mich auf einem Event bei den European Maccabi Games vor zwei Wochen fragte, ob ich gekommen sei, weil meine innere Uhr ticke, mit 30 gehöre man ja schließlich schon zu den Spätgebärenden. Das Einzige, was ich mich danach fragte, war, ob unsere jüdischen Uhren vielleicht nicht ganz richtig ticken.

Mond Der Mondkalender ist dafür verantwortlich, dass sich das Judentum an einer anderen Zeitrechnung orientiert. Ist er vielleicht auch dafür verantwortlich, dass wir, was Frauen und Partnerschaft angeht, nach einem »Hinter-dem-Mond-Kalender« leben? Wird es nicht langsam Zeit, dass wir unsere innerkulturelle Zeitrechnung gründlich überdenken und gnädiger mit dem heiratsfähigen Alter umgehen?

Ich meine, wer tatsächlich glaubt, dass ein ganzes Volk 40 Jahre durch die Wüste gewandert ist, der sollte es mit einer Zwei oder Drei vor der Null nicht so genau nehmen.

Jüdische Frauen ab 30 könnten sich natürlich ein Beispiel am nordkoreanischen Diktator nehmen und die inneren und äußeren Uhren nach ihren eigenen Regeln ticken lassen: Kim Jong-un möchte am 15. August seine eigene Zeitrechnung einführen und dreht, laut eigenen Worten, die Zeit um 30 Minuten zurück.

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 27. Februar

 21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

Bayern

NS-Raubkunst: Zentralrat fordert schnelle Aufklärung

Der Zentralrat der Juden verlangt von den Verantwortlichen im Freistaat, die in der »Süddeutschen Zeitung« erhobenen Vorwürfe schnell zu klären

 20.02.2025

Kolumne

Unentschlossen vor der Wahl? Sie sind in guter Gesellschaft – mit Maimonides

Der jüdische Weise befasste sich mit der Frage: Sollten wir als Kopfmenschen mit all unserem Wissen auch bei Lebensentscheidendem dem Instinkt vertrauen?

von Maria Ossowski  20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025

NS-Unrecht

Jüdische Erben: »Bayern hat uns betrogen« - Claims Conference spricht von »Vertrauensbruch«

Laut »Süddeutscher Zeitung« ist der Freistaat im Besitz von 200 eindeutig als NS-Raubkunst identifizierten Kunstwerken, hat dies der Öffentlichkeit aber jahrelang verheimlicht

von Michael Thaidigsmann  20.02.2025

Literatur

»Die Mazze-Packung kreiste wie ein Joint«

Jakob Heins neuer Roman handelt von einer berauschenden Idee in der DDR. Ein Gespräch über Cannabis, schreibende Ärzte und jüdischen Schinken

von Katrin Richter  20.02.2025

Berlinale

Auseinandergerissen

Sternstunde des Kinos: Eine Doku widmet sich David Cunio, der am 7. Oktober 2023 nach Gaza entführt wurde, und seinem Zwillingsbruder Eitan, der in Israel auf ihn wartet

von Ayala Goldmann, Katrin Richter  19.02.2025

Berlin

»Sind enttäuscht« - Berlinale äußert sich zu Antisemitismus-Skandal

»Beiträge, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, überschreiten in Deutschland und auf der Berlinale eine rote Linie«, heißt es in einer Erklärung des Festivals

von Imanuel Marcus  19.02.2025