Mein Mund ist trocken wie die Wüste Gobi. Vor meinen Augen flimmern Hungerfantasien. Irgendwann sacke ich in mich zusammen, und mein Kopf landet auf der Tastatur. Meine Kollegen kennen das schon. Jedes Jahr zu Tischa beAw ist es dasselbe Lied mit mir. Doch dieses Jahr war alles noch viel schlimmer, denn Tischa beAw fiel nicht auf einen Arbeitstag, sondern auf einen Sonntag. Also hatte ich auch noch meine drei Gören am Hals, musste sie unterhalten und verköstigen – Hilfe.
Zum Glück wohnen wir ja in Antwerpen, und so flog in der Woche vor Tischa beAw ein ganzes Sortiment interessanter Angebote in unseren Briefkasten. Wie zum Beispiel »Malkis und Rivkis Tishebov Daycamp« oder »Faigys und Sheindis Tishebov Adventure«. Am besagten Vormittag des Fastentages machten wir uns also mit den Kids auf den Weg zu Malki und Rivki. Wir klingelten am Gartentor, das sich mit einem leisen Summen öffnete.
Kaninchen Das Daycamp sah paradiesisch aus: In einem großen gepflegten Garten tummelten sich Kinder auf einem Klettergerüst zwischen Blumen und einem Goldfischteich, auch ein paar Kaninchen und ein stolzer Hahn samt pickenden Hühnern zierten dieses Idyll, während Rivki und Malki von ihren Liegestühlen aus mit stillem Lächeln und ihren Siddurim in der Hand alles überwachten.
Schon sprangen unsere Kinder jauchzend auf die Schaukeln. Wir zahlten ein stattliches Sümmchen an die sanft lächelnden Madrichot und zogen uns zurück. Zu Hause sanken wir sofort aufs Sofa und damit in ein von Hunger geplagtes Mittagsschläfchen. Schon nach einer Stunde schreckte ich hoch. Ich hatte irgendwie so ein komisches Gefühl. Ich schleppte mich zurück zum Daycamp.
Und siehe da: Die Madrichot sind in ihren Liegestühlen – die Siddurim noch immer in der Hand haltend – eingepennt, während die Kinder die Blumenbeete dem Erdboden gleichgemacht und sie mit dem sprudelnden Gartenschlauch in einen Schlammhaufen verwandelt hatten. Einige trieben die hysterisch gackernde Hühnerschar vor sich her. Die anderen knieten im Goldfischteich, um ein paar Fische fürs Abendbrot zu fangen. Nur unsere Kinder waren nirgendwo zu sehen. Ich rüttelte Malki wach. Wir eilten ins Haus, um nach den Kids zu suchen: Küche, Bad, Fernsehzimmer – nichts. Wir hetzten von Zimmer zu Zimmer über den langen Korridor.
Babyspieluhr Ganz am Ende stand eine Tür offen. Sanfte Musik kam aus der Babyspieluhr. Drinnen schlummern auf einem weichen Teppich rosig angehauchte Kleinkinder in Deckchen gehüllt mit Teddys im Arm. Auf dem rüschenbesetzten Bett thronen meine drei Kinder stolz wie Oskar. Sie berichten mir von ihrem überaus erfolgreichen Daycamp, wie sie den anderen Kleinen Schlaflieder vorgesungen und Bücher vorgelesen hätten. Verstohlen wische ich mir eine Träne aus dem Augenwinkel und bin ganz gerührt über meine fantastischen Kinder.
Dann tue ich das, was ich eigentlich schon längst hätte tun sollen. Ich rufe den Babysitter an, drücke ihm ein paar Scheine in die Hand und schicke die ganze Bande zuerst ins Kino und hinterher in die Pizzeria und die Eisdiele. Dann schleppe ich mich endlich zurück aufs Sofa, um den Rest des Tages zu verschlafen.