Nie war ich einer dieser glücklichen Menschen, die immer gut schlafen, aber die Schulwahl in der Hauptstadt gibt mir den Rest. Morgens um vier schrecke ich aus bösen Träumen hoch: Mein Sohn wird von Antisemiten zusammengeschlagen.
Oder ich sehe die GSG 9 vor jüdischen Schultoren auflaufen, auf der Suche nach irgendeinem Cousin von Amedy Coulibaly. Wie kann eine Mutter ihren einzigen Sohn vor dem Bösen beschützen? Indem sie die richtige Grundschule für ihn aussucht. Doch vier Monate vor Schulanfang grübeln wir immer noch, was die beste Lösung für den Sprössling wäre.
Der Marterpfahl, an dem ich gefesselt bin, ist leider selbstgezimmert. Hätten wir eine Wohnung in einem anderen Kiez gesucht, wäre das Problem gar nicht erst entstanden. Aber wir ließen uns von Altbau, Stuck und 3,50 Meter hohen Decken blenden, ohne an die Schulbank zu denken, die unser Sohn, damals 20 Zentimeter groß in meinem Bauch, einst drücken soll.
S-Bahn Dabei gilt die Grundschule in unserer Nachbarschaft – das heißt nach der Logik des Schulamtes zwei S-Bahn-Stationen weiter – als erfolgreiche Einrichtung, die Sprachentwicklung effektiv fördert: 70 Prozent der Schüler stammen aus türkischen und arabischen Familien. Muss ich betonen, dass wir keine Rassisten sind? Auch wir verfügen über Migrationshintergrund.
Mein Mann ist in Ostdeutschland, ich bin in Schwaben aufgewachsen. Mit ein bisschen gutem Willen könnten wir von den Deutschkursen profitieren, die an der Einzugsschule für benachteiligte Eltern angeboten werden. Obwohl »Hochdeutsch für Sachsen« nicht auf dem Programm steht. Dafür ist Mitarbeit der Eltern sehr gefragt: Beim offiziellen Anmeldetermin saß eine Mutter mit Kopftuch als freiwillige Helferin vor dem Sekretariat. Ich habe nichts gegen Frauen mit Kopftuch. Ich habe etwas gegen Kopftücher.
Und warum sitzt eine Mutter überhaupt vor einem Schulsekretariat, schenkt Kaffee für andere Eltern aus und will erklären, wie ein Formular ausgefüllt werden soll, obwohl sie die Vorschriften selbst nicht versteht? Ich habe mich bedankt, das Formular genommen, Umschulungswünsche für drei andere Schulen im Bezirk ausführlich begründet und das Weite gesucht. Denn mein Sohn, so leid es mir tut, kann den Kindern der freiwilligen Helferin nicht bei ihrer Integration helfen – er wäre Teil einer biodeutschen Minderheit und einziger Jude in seiner Klasse.
Privatschule Doch alle Alternativen haben einen Haken: Das Schulamt bearbeitet unsere Umschulungswünsche jetzt – das heißt, Mitte Mai – immer noch, und ohne Garantie auf Erfüllung. Vielleicht sollten wir aufhören, auf die Rettung aus Schöneberg zu warten, und uns definitiv für eine Privatschule entscheiden?
Ich wollte niemals zu den Leuten gehören, die es sich leisten, ihr Kind aus dem öffentlichen Schulsystem herauszukaufen. Ich hatte von der Grundschule um die Ecke geträumt, mit dem Baumhaus und den Eltern, die gemeinsam für eine bessere Welt kämpfen. Aber was habe ich davon, wenn ich diese Illusion nicht einklagen kann? Wer nicht mehr von der Schule träumt, schläft wahrscheinlich besser ...