Dieses Jahr wird alles anders. Ich werde 2015 nicht mit guten Vorsätzen beginnen. Wozu auch? Schon 2012, 2013, 2014 (im Grunde, so lange ich denken kann) bin ich kläglich gescheitert bei dem Versuch, Anfang Januar ein neues Blatt aufschlagen zu wollen.
Auch diesmal ist es wieder »same procedure as every year« – trotz bester Absichten. Leider habe ich nicht einmal ansatzweise damit begonnen, die zwei Kilo Hüftgold abzuspecken, die ich seit Mitte Dezember zugelegt hatte: an Chanukka wegen der Latkes, an Weihnachten wegen des Asyl-Festessens für meine jüdischen Brüder und Schwestern, zwischen den Jahren auf der Coach beim Dauerglotzen mehrerer DVD-Staffeln von Six Feet Under – und zum Jahreswechsel in meiner alten schwäbischen Heimat.
Schwäbische Alb Allein das Silvesteressen hat mir mindestens ein zusätzliches Kilo beschert. Meine Mutter hat uns zum Kerzenschein der Menora, die sie jedes Jahr in der Silvesternacht anzündet (ein uralter Brauch der Landjuden auf der Schwäbischen Alb, um Dibbuks zu vertreiben), mit köstlichem Käse-Raclette gefüttert. Danach gab es Gugelhupf, Glücksbringerle (so nennen das manche Schwaben) aus Schoko-Marzipan und Champagner. Dann war 2014 vorbei.
Und wieder ein neues Jahr, in dem ich dünner, sportlicher und optimistischer werden wollte. Leider konnte ich bis jetzt nicht einmal minimale Erfolge verzeichnen. In den ersten Januarwochen begann keiner meiner Tage mit dem Sonnengebet der Yogis, und sie endeten auch nicht mit dem »herabschauenden Hund« oder einer Meditation zur »inneren Achtsamkeit«, wie ich es mir im Dezember fest vorgenommen hatte. Stattdessen verfolgte mich das immer gleiche Gegrübel über ewige Fragen (der Sinn des Lebens, die Zukunft der Juden) gleich in den Morgenstunden des 1. Januar ab 4.30 Uhr.
TÜV Zu diesem Zeitpunkt habe ich mit sofortiger Wirkung beschlossen, die Verwirklichung aller guten Vorsätze auf das Jahr 2016 zu verschieben. Genauer gesagt, auf April 2016 – dann läuft nämlich der TÜV für unseren Golf (Baujahr: im vergangenen Jahrtausend) ab.
Eben habe ich in einer Zeitung gelesen, dass immer mehr Berliner ihr Auto abschaffen. Gleichzeitig gehen Experten davon aus, dass der niedrige Benzinpreis nicht von Dauer sein wird. Ist das nicht ein ideales Fenster der Gelegenheit für mich, jetzt noch 15 Monate lang die Umwelt zu verpesten, um danach übergangslos in die Rolle des Moralapostels zu wechseln und allen anderen Vorwürfe zu machen, weil sie den Klimawandel beschleunigen?
Ich finde, das ist eine tolle Idee. Und sollte ich schon vorher beschließen, mein Leben zu ändern, bleiben mir die Tage vor Rosch Haschana. Dann werde ich alles bereuen und büßen. Ich werde auch nie wieder ein Marzipanhufeisen essen. Wann beginnt endlich der Monat Elul?