Ich liebe Weihnachten. Ich liebe die Lichter, die Gerüche, die scheinheilig schein-heilige Stimmung, und ich liebe Schokobananen. Ich hasse aber auch Weihnachten, denn pünktlich zum 24. November, meinem Geburtstag und Startschuss der vierwöchigen kapitalistischen Panikmache, verfalle ich in meinen alljährlichen Identitätskonflikt.
Alles wird aufgewogen: Jesus gegen Jerusalem, Latkes gegen Lichterketten, »Sevivon Sof Sof Sof« gegen »Stille Nacht«. Kurz gesagt: Chanukka gegen Weihnachten. Hätten Jesus und Jehuda haMakkabi eine Gang gehabt, wären diese tatsächlich der antike Vorläufer moderner East-Coast- gegen West-Coast-Fehden gewesen. Aber wie soll es auch anders sein? Ich wurde vier Wochen zu früh geboren und müsste meinen Geburtstag eigentlich mit dem Heiland teilen.
fauxpas Die Tatsache, dass mich meine Mutter oft wie einen solchen behandelt, entschädigt mich für diesen biologischen Fauxpas. Sie erklärt jedoch auch, weshalb mich Weihnachten Jahr für Jahr in seinen Bann zieht, während ich doch eigentlich das Wunder von Chanukka als persönliche Erfüllung betrachten sollte.
Was ich ja auch tue – eigentlich. Die berühmte Comicfigur Kenny aus South Park, grandiose US-Sozialsatire versteckt hinter unschuldiger Zeichnung, sang in einer Folge »It’s hard to be a Jew on Christmas«, und ich persönlich kann dem nur zustimmen. Wir feiern zwar acht Nächte und nicht nur zwei, wir sollen in dieser Zeit fettiges Essen zu uns nehmen und zelebrieren seit knapp 2000 Jahren den Sieg der Makkabäer über die Griechen.
»Bling« Aber es fehlt einfach das gewisse »Bling«. Genau das denke ich, während ich inmitten des allabendlichen Berufsverkehrs auf dem Ku’damm stehe, von Abertausenden Lichtern umgeben bin und, wie jedes Jahr, den überlebensgroßen Weihnachtsmann am Olivaer Platz anstarre, der seinen rechten Arm zum Gruße in die Höhe streckt.
An irgendwen erinnert er mich – ich komme bloß nicht drauf, an wen. Auf dem Beifahrersitz steht eine große Tüte, deren Inhalt mein Auto mit Bratfett-, Zuckerguss- und Schokoladenaroma erfüllt – Kartoffelpuffer, Schokobananen und Sufganiot, die ich heute Abend in meiner mit kitschigen Chanukkalichtern dekorierten Wohnung essen werde.
Denn eigentlich ist es doch egal, ob wir Chanukka, Weihnachten, das Lichterfest oder das Fest der Lichter feiern: Am Ende des Tages hoffen wir alle auf das Wunder, im Dezember nicht zuzunehmen.