Pornografie zerstört Ehen» – diese Warnung hat Barry Freundel vor wenigen Wochen in einem Interview mit der «Washington Post» ausgegeben. Kurz darauf wurde der 62 Jahre alte Rabbi festgenommen: In der Frauendusche der Gemeindemikwe soll er heimlich eine Videokamera angebracht und sich an den Aufnahmen erfreut haben. Zunächst war von sechs Fällen die Rede, mittlerweile könnten es mehr als 100 Frauen sein, die unfreiwillig im Bad gefilmt wurden.
Was mich an dieser Geschichte vor allem wundert: Warum sollte der fromme Mann, falls er tatsächlich schuldig gesprochen wird, ein solches Risiko eingegangen sein? Pornografie, sagte Freundel in seinem Interview, sei von uns allen «nur zwei Tasten entfernt: Man macht den Computer an, drückt zweimal auf den Knopf, und schon ist man da». Warum also eine Kamera in einen Radiowecker einbauen und dann den eigenen Gemeindemitgliedern von «Kesher Israel» in Washington D.C. in der Mikwe hinterherspionieren?
susanna im Bade Vielleicht hilft zur Erklärung ein Blick in die Vulgata. Denn schon im Buch Daniel ist das Motiv «Frau im Bade» erwähnt – in Form der schönen und frommen Susanna, die mit dem Babylonier Jojakim verheiratet war. In dessen Haus, so heißt es, verkehrten zwei hoch angesehene alte Richter: «Da regte sich in ihnen die Begierde nach ihr. Ihre Gedanken gerieten auf Abwege, und ihre Augen gingen in die Irre.» Die Männer lauerten Susanna auf, als sie im Garten ein Bad nehmen wollte. Später behaupteten sie, sie hätten ihr Opfer beim Ehebruch ertappt. Doch statt der sittsamen Frau wurden die beiden Richter getötet, die falsches Zeugnis abgelegt hatten.
Interessanterweise wird diese Geschichte nur in der lateinischen und griechischen Bibelfassung überliefert, während die Masoreten und Martin Luther die Erzählung lieber ausließen. Dabei hat «Susanna im Bade» jahrhundertelang die Kunst beflügelt: Tintoretto, van Dyck und Lovis Corinth haben eine wunderschöne, üppige Frau gemalt, der alte, lüsterne Männer nachstellen. Und auch in der Entwicklung der Rechtsprechung gilt diese Geschichte als wegweisend, denn sie betont den Grundsatz unabhängiger Zeugenbefragung.
vorbild «Sie sahen weder zum Himmel auf, noch dachten sie an die gerechten Strafen Gottes.» Ob Freundel allerdings an eine Stelle anknüpfen wollte, die nur in der katholischen Überlieferung tradiert wird, erscheint mir fraglich. Anständig wäre es, wenn er sich kein Vorbild am Aussageverhalten der Richter nähme – die nächste Verhandlung ist für Januar 2015 angesetzt.
Konversionsanwärterinnen haben sich übrigens schon vor Jahren beschwert, weil der Rabbi sie genötigt haben soll, für den Giur zu zahlen und ihm bei der Buchhaltung zu helfen. Außerdem soll er sie aufgefordert haben, vor dem Tauchbad in der Mikwe eine «lange Dusche» zu nehmen. Was bleibt noch zu sagen? Ich hoffe, dass die frommen Frauen nicht auch sein Badezimmer putzen mussten!