Es liegt wohl im Wesen des Menschen, dass er einer Gruppe angehören möchte. Sogar Individualistinnen wie ich werden immer wieder von dieser Sehnsucht heimgesucht. Doch Tatsache ist, die meisten Jahre meines Lebens habe ich vergeblich nach der »Kvutza« gesucht, die das Leben gemeinsam schöner, besser und beseelter machen sollte. Weder die Jungsozialisten noch die israelische Friedensbewegung und schon gar nicht der Journalistenverband wurden mir zur wahren Heimat; von der Jüdischen Gemeinde wollen wir an dieser Stelle lieber schweigen.
schwangeren-yoga Als ich mein Kind erwartete, bekam die alte Illusion neue Nahrung und wuchs zusammen mit meinem Bauch. Als Mutter, dachte ich, könnte ich endlich einmal ein Teil des großen Ganzen werden, mitschwimmen im Mainstream der Sandkästen und Elternvertreter! Sie ahnen, wie die Geschichte weiterging: Im Schwangeren-Yoga wandten alle Mütter entsetzt den Blick von mir ab, als ich bekannte, per Kaiserschnitt entbinden zu wollen.
Nach der Geburt kaufte ich Pampers statt Bio-Windeln sowie Babygläschen, statt meinem Söhnchen den Brei selbst zu kochen, und kassierte weitere Minuspunkte. Als ich mich dann auch noch für die Kita der Jüdischen Gemeinde – nur mit dem Auto zu erreichen – statt für den Kinderladen um die Ecke entschied, fiel ich bei den Bio-Müttern aus meinem Kiez endgültig in Ungnade.
Ich suchte mein Refugium in der Welt der jüdischen Mütter und parke meinen Uralt-Golf nun jeden Morgen neben Edelkarossen in der Größe von Panzern. Doch die Mamme-Welt hat andere Tücken. »Was, ihr habt nur ein Kind?«, fragte mich eine israelische Mutter und präsentierte stolz ihre fünf Sprösslinge. Monatelang stand ich vor dem Spiegel und übte den perfekten Lidstrich, doch jeden Morgen wurde mir aufs Neue vor Augen geführt, dass eine Frau in der ehemaligen Sowjetunion geboren sein muss, um ihn wirklich zu beherrschen.
altersheim Meine Sehnsucht in einer »Kvutza« von Gleichgesinnten aufzugehen, musste ich resigniert ad acta legen. Bis auf Weiteres. Vielleicht wird meine Stunde endlich schlagen, wenn ich die anderen Großmütter im jüdischen Altersheim mit den hübschen Geschichten beeindrucken kann, die ich anno dazumal in der Jüdischen Allgemeinen veröffentlicht habe?
Aber wahrscheinlich wird sich keine einzige Oma für meine alten Glossen interessieren, sondern alle werden mit ihren erfolgreichen Kindern und Enkeln angeben und ihren Schmuck vergleichen. Ich muss wohl schleunigst anfangen, meinen Sohn mit Frühlatein zu triezen sowie auf ein paar Brillanten und Perlenohrringe zu sparen. Oder sollte ich vielleicht lieber warten, dass der Messias kommt?