Habe ich Ihnen schon von meinem neuesten Magengeschwür erzählt? Es ist ein Facebook-Magengeschwür, und ich bin bestimmt nicht das einzige Opfer. Alles begann vergangenen Mittwoch um 16 Uhr nach einem harten Tag im Büro. Handy anschalten, mal eben Facebook checken – zur Entspannung. Und was muss ich da sehen? Ein gestochen scharfes Foto vom jüdischen Kindergarten. Meine Kleinen in der ersten Reihe, komplett mit Namen und Schulort. Ich sah rot, kochte vor Wut. Wer hat das erlaubt, Fotos meiner Kinder ins Netz zu stellen? Ich bestimmt nicht.
Ich rufe den Schulvorstand an und moniere, dass man die Eltern vorher nicht um Erlaubnis gefragt hat. »Soll das ein Witz sein?«, ist die Antwort. Ich weise auf entsprechende Gesetzestexte zum Schutz von Minderjährigen im Internet hin. Aus dem Telefonhörer dringt nur höhnisches Gelächter. Neue Nahrung für mein Magengeschwür.
oligarchie Vielleicht muss ich erklärend hinzufügen, dass in der Schule meiner Kinder so eine Art Oligarchie herrscht: Im Vorstand sitzen ein paar stinkreiche Eltern, und die Schule, die Lehrer, der eingeschüchterte Schuldirektor und der rückgratlose Schulrabbiner sind ihrer uneingeschränkten Herrschaft unterworfen.
Die »Affäre Facebook«, wie sie inzwischen genannt wird, hat im Schulvorstand weite Kreise gezogen und auf meiner Facebook-Seite einen wahren Shitstorm der Empörung ausgelöst. Wodurch ich dermaßen angenervt war, dass ich mein Facebook-Konto deaktiviert habe. Wussten Sie, dass es sowas überhaupt gibt?
Facebook bietet seinen Schäfchen unter der Rubrik »Sicherheitsoptionen« diesen Service an, man kann dann gewisse Gründe ankreuzen wie: »Ich bin Facebook-süchtig und muss aus Entzugsgründen mein Konto aufgeben«, oder: »Ich werde auf Facebook von Leuten, die ich für meine Freunde hielt, belästigt«, oder »Ich steige nur für kurze Zeit aus, bis Gras über die Sache gewachsen ist« – mir fiel die Wahl schwer.
spuren Aber ich habe es geschafft. Ich bin clean. Bin ausgestiegen. Freunde sagen mir, die Facebook-Landschaft sieht aus, als hätte es ein Mitglied meines Namens nie gegeben. Sämtliche Posts, Likes, Messages – alles, was ich an Spuren je hinterlassen habe, sind verschwunden. Toll, oder? Sie sollten das mal versuchen, ist wie Urlaub.
Nur, dass die dummen Tussen vom Schulvorstand das in den falschen Hals bekommen haben und meinen, ich hätte sie auf Facebook »unfriended«. Auch das kann man machen, der Effekt ist ungefähr derselbe. Wir werden ja im neuen Schuljahr sehen, ob die Schulgeld-Rechnung sich auf einmal verdreifacht, ob meine Kinder im Kindergarten gedisst werden oder ich zu Purim- und Chanukkafeiern nicht mehr eingeladen werde.