Ich bin momentan kein schöner Anblick. Früher schwankte mein Gewicht um die Zentner-Grenze, manchmal 99, manchmal 101 Kilogramm. Inzwischen sind es noch mehr geworden Der kalte Winter und meine Unlust, Sport zu treiben, haben mich jetzt definitiv in einen Fettsack verwandelt.
Jeden Tag beim Maariv-Gebet bitte ich Gott, mich nicht in Versuchung zu führen. Keine Schokolade, keine Chips, keine Reste vom Schabbatessen. Nur selten werde ich erhört. Irgendetwas finde ich dann doch noch im Kühlschrank. Das macht mich dann sehr wütend auf Gott. Ich habe den Verdacht, dass Er sich über mich lustig macht und alle Engel am Abend vor dem himmlischen Fernseher sitzen lässt. Dann gucken sie eine weitere Episode von »Benis Fressattacken«. Ich finde das echt ätzend.
Vertretung Und jetzt das: Der Turnlehrer unserer Schule leidet an Burnout und kann keine Sportstunden geben. Die Schulleitung ist deshalb auf mich zugekommen, weil ich in archaischen Zeiten einmal Turnunterricht erteilt habe. Jetzt werde ich also der Fetti sein, der auch noch vorturnen muss. Ich kann mir das Gegröle bei den Engeln oben gut vorstellen.
Vor meiner ersten Stunde diese Woche habe ich die Turnhalle seit Langem wieder einmal von innen angeschaut. Oben baumelten die Ringe in unerreichbarer Höhe, die Kletterstangen guckten mich höhnisch an. Über allem lag der bekannte Geruch von Schweiß, Matten und liegen gelassenen Sportsocken. Ich nahm etwas Rundes in die Hand und erinnerte mich: Das ist ein Fußball.
Langsam kamen mir auch die Gerätenamen wieder in den Sinn: Schwedenbank, Bock, Langbank. Dann dachte ich an andere Wörter: Rennen, Springen, Hüpfen, Vorturnen. Vorturnen? Oh Gott, das muss ich ja machen! Der Ball fiel mir auf den Boden. Ich schaute nach oben und rief: »Lustig, ja?«
Praxis Am Dienstag gab ich dann meine erste Turnstunde. Die Schüler standen im Halbkreis und schauten mich erheitert an. Ich spannte meinen Oberkörper und bellte: »Zehn Minuten Aufwärmen!« Dann lockerte ich den Bauch wieder und setzte mich hin. Zehn Minuten sind leider irgendwann vorbei, und ich musste wieder aufstehen. Ich schrie: »Lasst die Ringe runter!«, »Wer kann die Übung vormachen?«, »Alle machen das jetzt nach – 20 Minuten!«.
Dann suchte ich mir eine Matte aus und machte es mir bequem. Zwei Schülern gab ich Order, mir einen schweren Medizinball zu bringen. Den legte ich an mein Kopfende. Langsam kam jetzt mein Glaube an Gott zurück. So schlimm ist es gar nicht, Turnlehrer zu sein. Ich belohnte mich mit einem Schokoriegel und winkte nach oben.