Es ist die letzte Augustwoche 1968. Der Sommer ist mit 29 Grad heiß, und Chicago bereitet sich auf die Democratic National Convention (DNC) vor – den Parteitag, auf dem sich Hubert Humphrey als Kandidat für das Präsidentenamt wählen lassen will.
Die Partei ist in keinem guten Zustand. Der Vietnamkrieg, der seit vier Jahren tobt, spaltet die Demokraten. Und die Amerikaner sind des Krieges, der immer mehr Soldaten frisst, müde. Dass es Proteste geben wird, ist fast vorhersehbar.
Polizeigewalt Dieser Parteitag, der das Land wie kein anderer nachhaltig prägen sollte, wird nicht zuletzt durch brutale Auseinandersetzungen und stumpfe Polizeigewalt zu trauriger Berühmtheit gelangen. Den geschätzten 10.000 Demonstranten stehen 12.000 Chicagoer Polizisten und mehr als 10.000 Soldaten der Nationalgarde und der Armee gegenüber.
Am Ende werden weit über 500 Menschen festgenommen, es gibt viele Hundert Verletzte und einen politischen Prozess der republikanischen Nixon-Regierung, der als The Trial of the Chicago 7 von Regisseur Aaron Sorkin verfilmt wurde.
Sorkin erzählt darin die Geschichte dieser Augusttage im Jahr 1968 und stellt die Männer vor, die am 20. März 1969 wegen Verschwörung angeklagt werden: die Chicago Seven – beziehungsweise die Chicago Eight.
Black Panther Party Acht Männer, die sich nicht kennen, die nur das gemeinsame Ziel eint, nämlich die Reise zur DNC: Abbie Hoffman und Jerry Rubin von der Youth International Party (Yippie), Tom Hayden und Rennie Davis von den Students for a Democratic Society (SDS), die Antikriegsaktivisten John Froi-nes und Lee Weiner, der Pazifist David Dellinger und Bobby Seale, der Mitbegründer der Black Panther Party, der in einem eigenen Prozess verurteilt wurde.
Diese Männer werden in Sorkins Film von Schauspielern verkörpert, die den spannenden, erschütternden, zuweilen auch sehr komischen und aktuellen Film zu einem guten Gerichtsthriller machen.
Allen voran Sacha Baron Cohen, der Abbie Hoffman spielt. Ja, er ist witzig, ja, irgendwie ist er immer Borat, aber die Wiedererkennung verblasst, denn Baron Cohen ist einfach gut und kann auch mal wieder ernsthaft.
Eddie Redmayne, der den SDS-Aktivisten Tom Hayden spielt. Oder Mark Rylance, der in der Rolle des unermüdlichen, etwas schlodderig wirkenden Verteidigers William Kunstler sowohl Baron Cohen als auch Redmayne an die Wand spielt. Nicht zu vergessen Yahya Abdul-Mateen II als Bobby Seale, der im Gerichtssaal sogar gefesselt wurde, und der Richter Julius Hoffman, der von Frank Langella verkörpert wird und einfach nur ein richtiger Kotzbrocken ist.
Sorkin, der in The Trial of the Chicago 7 zum zweiten Mal Regie führt, ist ein einfühlsamer und kurzweiliger Erzähler. Die ersten sieben Minuten zeigen, warum die jungen Amerikaner Veränderung wollten, Gleichberechtigung und Gerechtigkeit. Sie hatten den Rassismus satt, den Krieg – und das spießige Amerika. Sie wollten eine Revolution und Freiheit – ohne Gewalt. Dieser Traum jedoch platzt im August 1968 bei den Zusammenstößen im Lincoln Park, dem Grant Park oder an der großen Kreuzung Balbo, Ecke Michigan Avenue.
17 Minuten filmen Fernsehkameras, wie die Polizei die Straßen räumt – alles andere als friedlich. »The whole world is watching« wird zum Leitspruch der Proteste.
Und dann wäre da noch ein Kapitel, dem so gar keine Aufmerksamkeit geschenkt wird: Denn The Trial of the Chicago 7 ist auch ein jüdischer Film. Und das nicht nur des jüdischen Regisseurs und einiger Schauspieler wegen, sondern auch wegen Abbie Hoffmann, Jerry Rubin, William Kunstler, Leonard Weinglass und Julius Hoffman. Dies, und auch der Satz, den Abbie Hoffman dem Richter Hoffman zurief – »You are a shande fur de Goyim« –, werden komplett ausgespart.
Trotzdem ist der Film, der bewusst noch vor den US-Wahlen herauskam, seine zwei Stunden und zehn Minuten wert.