Interview

»Der Medicus müsste Jude sein«

Bestsellerautor Noah Gordon Foto: BREUEL-BILD/Daniel Hinz

Herr Gordon, kommende Woche läuft die Verfilmung Ihres Weltbestsellers »Der Medicus« in den deutschen Kinos an. Wie gefällt Ihnen der Film?
Ich war anfangs skeptisch, ob man den Roman überhaupt verfilmen kann. Als ich den Film dann vor einiger Zeit zum ersten Mal sah, war ich sofort begeistert. Er enthält alles, was zu einem richtigen Blockbuster dazugehört: überwältigende Bilder, eine spannende Geschichte und großartige Schauspieler. Allein schon Ben Kingsley in der Rolle des persischen Arztes Avicenna ist sensationell.

Wie nah ist die Handlung des Films an der Geschichte Ihres Romans?
In den wesentlichen Punkten entspricht sie der Romanhandlung. Auch in dem Film geht es um einen jungen Waisen, der aus dem mittelalterlichen England ins persische Isfahan reist. Dort will er bei dem besten Arzt seiner Zeit – ebenjenem Avicenna – alles über Medizin lernen. Er ist getrieben von dem Verlangen, zu studieren und Menschen zu helfen. Um als Student aufgenommen zu werden, schließt sich der Medicus jüdischen Ärzten an und gibt sich auch selbst als Jude aus.

Jüdische Ärzte spielen in dem Film eine zentrale Rolle ...
... ja, der Anteil jüdischer Ärzte war im Mittelalter überdurchschnittlich groß. Denken Sie nur an Maimonides, aber auch an weniger bekannte jüdische Ärzte wie Chasdai ibn Schaprut. Während man im christlichen Europa jeden Eingriff in den Körper als Hexerei betrachtete, konnten Juden zu der Zeit schon komplexe Krankheiten heilen. Deshalb müsste der Protagonist im Medicus eigentlich auch Jude sein. Ich bereue es noch heute, dass ich die Figur damals nicht entsprechend angelegt habe. So wirkt der Held zugegebenermaßen wie ein ziemlich jüdischer Goi.

Im Judentum gibt es stark ausgeprägte Tradition, sich mit medizinischen Fragen auseinanderzusetzen. Woher kommt sie Ihrer Ansicht nach?
Juden durften im Mittelalter viele Berufe nicht ausüben, sodass oft nur der Arztberuf übrig blieb. Hinzu kommt das jüdische Prinzip Tikkun Olam: Zu helfen und Leid zu mindern, ist ein Gebot im Judentum. Diese Tradition setzt sich bis heute fort. Ich selbst wollte früher Arzt werden und habe Medizin studiert. Für meine jüdischen Eltern war es ein Schock, als ich das Studium schmiss, um Journalist zu werden.

»Der Medicus« erzählt auch eine sehr politische Geschichte. Inwiefern ist der Film eine Parabel auf die aktuelle Situation im Nahen Osten?
Das werde ich in diesen Tagen oft gefragt. Die Mullahs wollten im 11. Jahrhundert gemeinsam mit den Seldschuken in Isfahan die Juden und mit ihnen die gesamte aufklärerische Tradition ausrotten. Fast 1000 Jahre später ist es dieselbe Situation: Die iranischen Mullahs schlagen die säkularen Kräfte des Landes blutig nieder und wollen zurück ins Mittelalter. Das einzige, was die Mullahs von heute von den Islamisten damals unterscheidet, ist der Besitz von Mobiltelefonen und waffentauglichem Uran.

Mit dem amerikanischen Schriftsteller sprach Philipp Peyman Engel.

Erhebung

Dieser hebräische Babyname ist in Deutschland am beliebtesten

Welche Namen geben Eltern ihren Sprösslingen in diesem Jahr am liebsten? In welchen Bundesländern gibt es Abweichungen?

 30.12.2025

Forum

Leserbriefe

Kommentare und Meinungen zu aktuellen Themen der Jüdischen Allgemeinen

 28.12.2025

Film

Spannend, sinnlich, anspruchsvoll: »Der Medicus 2«

Nach zwölf Jahren kommt nun die Fortsetzung des Weltbestsellers ins Kino

von Peter Claus  25.12.2025

ANU-Museum Tel Aviv

Jüdische Kultobjekte unterm Hammer

Stan Lees Autogramm, Herzls Foto, das Programm von Bernsteins erstem Israel-Konzert und viele andere Originale werden in diesen Tagen versteigert

von Sabine Brandes  25.12.2025

Menschenrechte

Die andere Geschichte Russlands

»Wir möchten, dass Menschen Zugang zu unseren Dokumenten bekommen«, sagt Irina Scherbakowa über das Archiv der von Moskau verbotenen Organisation Memorial

 25.12.2025

Rezension

Großer Stilist und streitbarer Linker

Hermann L. Gremliza gehört zu den Publizisten, die Irrtümer einräumen konnten. Seine gesammelten Schriften sind höchst lesenswert

von Martin Krauß  25.12.2025

Glastonbury-Skandal

Keine Anklage gegen Bob-Vylan-Musiker

Es lägen »unzureichende« Beweise für eine »realistische Aussicht auf eine Verurteilung« vor, so die Polizei

 24.12.2025

Israel

Pe’er Tasi führt die Song-Jahrescharts an

Zum Jahresende wurde die Liste der meistgespielten Songs 2025 veröffentlicht. Eyal Golan ist wieder der meistgespielte Interpret

 23.12.2025

Israelischer Punk

»Edith Piaf hat allen den Stinkefinger gezeigt«

Yifat Balassiano und Talia Ishai von der israelischen Band »HaZeevot« über Musik und Feminismus

von Katrin Richter  23.12.2025