Jubiläum

Der Löwe wird 90

Er war Chefredakteur der »Jerusalem Post« und ein Freund von David Ben Gurion. Heute feiert Ari Rath seinen Geburtstag

von Christian Buckard  06.01.2015 09:51 Uhr

Am 6. Januar 1925 in Wien geboren: Ari Rath Foto: Paul Zsolnay / Leonhard Hilzensauer

Er war Chefredakteur der »Jerusalem Post« und ein Freund von David Ben Gurion. Heute feiert Ari Rath seinen Geburtstag

von Christian Buckard  06.01.2015 09:51 Uhr

Am Morgen des 11. September 1973 blickte der israelische Zeitungskorrespondent Ari Rath aus dem Fenster seines Hotels in Santiago de Chile und sah, dass Panzer der chilenischen Armee den Platz umzingelten.

Einige Frauen und Männer verließen mit weißen Fahnen den Präsidentenpalast. Doch Präsident Salvador Allende weigerte sich, das Angebot des freien Geleits anzunehmen: »Revolutionen werden nicht mit Schwächlingen gemacht. Deshalb bleibe ich.«

verwundung Rath wusste, dass Allende mit der Weigerung, sich zu ergeben, sein Todesurteil unterzeichnet hatte. Wenige Tage zuvor hatte er den Präsidenten noch persönlich getroffen. »Ich komme aus Israel«, hatte er ihm gesagt: »Wir unterstützen die sozialistische Front.« Jetzt wurde er Zeuge von Allendes letztem Gefecht. Und nicht nur Zeuge. Während der Kämpfe landete ein Geschoss in Raths Zimmer und traf ihn anderthalb Zentimeter neben der Halsschlagader.

Bis heute steckt das Schrapnell in seiner Schulter. Der Reporter berichtete trotz der Verwundung weiter aus Chile für seine Zeitung, die »Jerusalem Post«, auch aus dem Stadion de la Nacion, wo Regimegegner von den Putschisten gefangen gehalten, gefoltert und ermordet wurden.

Es folgte eine Vorladung bei der Junta. Rath wurde deutlich gemacht, dass seine Anwesenheit nicht erwünscht sei und er mit der nächsten Maschine das Land verlassen müsse.

Wenige Wochen später, am 6. Oktober 1973, brach der Jom-Kippur-Krieg aus. Israel war in seiner verzweifelten Lage dringend auf Militärlieferungen aus Amerika angewiesen. Doch während US-Außenminister Henry Kissinger keine Sekunde gezögert hatte, in Chile die Putschisten um Pinochet zu unterstützen, ließ er sich nur widerwillig darauf ein, Israel mit strategisch notwendigem Material zu versorgen. »Kissinger«, erzählt Rath, »wollte eigentlich, dass wir noch mehr bluten sollen, um, wie er sagte, Israels Hochmut zu strafen«.

ben gurion Nachzulesen sind diese und andere Geschichten aus einem Journalistenleben in Ari heißt Löwe, Raths Erinnerungen, die 2012 beim Zsolnay-Verlag erschienen sind. Ari Rath arbeitete über 30 Jahre, von 1957 bis 1989, für die »Jerusalem Post«, davon die letzten zehn Jahre als Chefredakteur.

Geboren wurde Rath 1925 in Wien. Nach dem »Anschluss« am 31. Oktober 1938 verließ er zusammen mit 50 anderen jüdischen Kindern das braune Österreich Richtung Palästina. Die Mutter hatte er früh verloren, der Vater war von der Gestapo verhaftet worden. In einem Alter, in dem heutzutage manche Sprösslinge noch von ihren Eltern zur Schule chauffiert werden, befand sich der junge Ari völlig allein in der fremden historischen Heimat.

Vielleicht hat diese Erfahrung dazu beigetragen, dass er sich so gut mit David Ben Gurion verstand, für den er 1965 im Wahlkampf arbeitete. Der Staatsgründer war selbst mit 19 Jahren ins Land gekommen. »Immer wieder«, erinnert sich Rath, »erzählte er, wie er einsam stundenlang durch die Sanddünen marschiert war und sich nach seinem Vater gesehnt hatte.«

Es sind Erinnerungen wie diese, in denen der Autor mit nur wenigen, vorsichtigen Strichen ungewöhnliche Porträts Prominenter zeichnet, wie man sie sonst selten oder überhaupt nicht liest.

enttäuschungen Ari heißt Löwe ist auch deswegen ein leicht zu lesendes und zugleich schwieriges Buch, weil der Leser das darin geschilderte Israel unwillkürlich mit dem von heute vergleicht: Die Kibbuzbewegung, in der Ari Rath groß wurde, hat ihre einstige Vorbildfunktion endgültig verloren. Die »Jerusalem Post«, deren Chefredaktion er 1989 nach einer sehr unfreundlichen Übernahme durch einen US-Investor aufgeben musste, hat nie wieder jenes Niveau erreicht, das sie unter Raths Leitung hatte.

Und der von Rabin und Peres begonnene Friedensprozess, den Rath engagiert begleitete, steckt in einer fast hoffnungslosen Krise. »So sehr es mich schmerzt, dies niederzuschreiben: In der gegenwärtigen israelischen Gesellschaft fällt es mir zunehmend schwer, mich zu Hause zu fühlen«, lautet deshalb das Fazit des inzwischen 87-Jährigen.

Ari Rath, der vielleicht auch deswegen heute zwei Wohnsitze hat – in seiner Geburtsstadt Wien und in Jerusalem –, hätte allen Grund gehabt, eine bittere Abrechnung zu schreiben. Er hat es nicht getan. das liegt an seinem trotzigen Optimismus: »Ich habe vieles erlebt, was ich zuvor für unmöglich hielt. Mein sehnlichster Wunsch ist es, den Aufbruch zum Frieden in meiner Heimat noch zu sehen.«

Ari Rath: »Ari heißt Löwe«. Erinnerungen. Aufgezeichnet von Stefanie Oswalt. Zsolnay, Wien 2012, 344 S., 24, 90 €

Bochum

Gil Ofarim kündigt Konzert an

Gerade erst zeigte er sich geläutert - nun kündigt er neue Pläne an

 22.11.2024

Den Haag

Der Bankrott des Internationalen Strafgerichtshofs

Dem ICC und Chefankläger Karim Khan sind im politischen und juristischen Kampf gegen Israel jedes Mittel recht - selbst wenn es unrecht ist. Ein Kommentar

von Daniel Neumann  22.11.2024

Saarbrücken

Moderne Galerie zeigt Illustrationen von Marc Chagall

Die Schau »Marc Chagall. Die heilige Schrift« ist bis zum 25. April 2025 zu sehen

 21.11.2024

Fußball

Neuer wackelt: Plötzliche Chance für Peretz im Bayern-Tor?

Manuel Neuer plagt »ein Stechen im Rippenbereich« und Sven Ulrteich fällt vorerst aus persönlichen Gründen aus

 21.11.2024

Gut besucht: die Konferenz in Berlin

Zionismus-Tagung

Vom Recht auf einen souveränen Staat

In Berlin diskutieren Referenten und Teilnehmer aus Deutschland und Israel verschiedene Aspekte

von Detlef David Kauschke  21.11.2024

Veranstaltungen

Sehen. Hören. Hingehen.

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 21. November bis zum 28. November

 21.11.2024

Liedermacher

Wolf Biermann: Ein gutes Lied ist zeitlos gut

Er irre sich zuweilen, gehöre habe nicht zu den »irrsten Irrern«, sagt der Liedermacher

 21.11.2024

Nachruf

Meister des Figurativen

Mit Frank Auerbach hat die Welt einen der bedeutendsten Künstler der Nachkriegsmoderne verloren

von Sebastian C. Strenger  21.11.2024

Berlin

Ausstellung zu Nan Goldin: Gaza-Haltung sorgt für Streit

Eine Ausstellung würdigt das Lebenswerk der Künstlerin. Vor der Eröffnung entbrennt eine Debatte

von Sabrina Szameitat  21.11.2024