Frankfurt/Main, Messegelände, Halle 3, Restaurant »Trilogie«. Die Programmchefin eines großen deutschen Verlags im Gespräch mit einem Autor.
Programmchefin: »Wir wollen einen deutsch-jüdischen Gegenwartsroman herausbringen. Haben Sie Lust, den zu schreiben? Es müsste ein bisschen Holocaust drin sein, aber nicht zu viel. Nahostkonflikt auch. Und die großen aktuellen Fragen der Gegenwart. Das Buch soll ein breites Publikum erreichen.«
Autor: »Lassen Sie mich mal überlegen. Eine Liebesgeschichte vielleicht? Der männliche Held heißt David, ein junger Israeli, der nach dem Wehrdienst nach Berlin zieht. Von dort stammt seine geliebte Oma.«
Programmchefin: »Prima, damit hätten wir die Vergangenheit schon mal drin.«
Autor: »David ist traumatisiert von dem Unrecht an den Palästinensern, das er als Soldat erlebt hat. Immer wieder denkt er an die Worte seiner Oma: ›Manchmal sind wir nicht besser als die Deutschen damals.‹«
Programmchefin: »Oh, das ist gut, ja. Israelkritik wird gern gelesen. Aber schreiben Sie lieber ›die Nazis‹ statt ›die Deutschen‹. Das ist leserfreundlicher. Jetzt brauchen wir noch einen weiblichen Gegenpart zu David.«
Autor: »Die nennen wir Mona. Monas Vater ist Palästinenser, hat in Deutschland studiert und ist Chefarzt an der Uniklinik. Die Mutter ist Deutsche, aus einer angesehenen Unternehmerfamilie. Aber die Familie hat einen dunklen Fleck. Im Dritten Reich hat sie Zwangsarbeiter beschäftigt. Oder, warten Sie, vielleicht anders: Die Familie hat eine große Kunstsammlung, mit Gemälden, die jüdischen Besitzern geraubt wurden. Darunter ein Renoir, der dem Vater von Davids Oma gehörte.«
Programmchefin: »Und David entdeckt das Bild in der Villa von Monas Eltern. Prima Spannungsbogen. Aber erst müssen die beiden sich kennen lernen.«
Autor: »Vielleicht in einer Umweltinitiative. Dann haben wir gleich die aktuellen Gegenwartsfragen drin. Und jetzt bauen wir den großen Konflikt ein. Die Familien der beiden sind absolut gegen die Beziehung. Davids Eltern wegen dem Holocaust, bei Mona der palästinensische Vater, vor allem als er herausfindet, dass Davids Eltern in dem Haus in Jerusalem leben, aus dem seine Familie 1948 vertrieben wurde. Oder ist das zuviel?«
Programmchefin: »Nein, ich finde das gut. Das gleicht das geraubte Gemälde aus. Aber wie kriegen wir ein Happy-End hin?«
Autor: »Wie wär’s damit: David hat einen schweren Unfall. Ein SUV fährt ihn an, als er auf dem Radweg abbiegen will. Er kommt ins Krankenhaus. Dort rettet Monas Vater als Arzt ihm das Leben und lernt Davids Eltern kennen, die sofort nach dem Unfall nach Berlin geflogen sind. Sie alle erkennen, wie unwichtig es ist, ob man Deutscher, Israeli oder Palästinenser ist, wenn es um Leben, Tod und Liebe geht. Und um die Umwelt. Zum Schluss gehen die Familien deshalb gemeinsam auf eine ›Fridays for Future‹-Demo.«
Programmchefin: »Das ist super. Davon verkaufen sich bestimmt mindestens 200.000 Stück. Und ich kenne jemandem beim ZDF, der scharf auf die Fernsehrechte wäre. Ich schicke Ihnen nach der Messe den Buchvertrag.«