Plagiate

Der Guttenberg von Gablonz

Wie ein böhmischer Rabbiner 1890 versuchte, sich einen Doktortitel zu erschnorren

von Tilman Vogt  12.07.2011 08:46 Uhr

Begehrte Kopfbedeckung Foto: Fotolia

Wie ein böhmischer Rabbiner 1890 versuchte, sich einen Doktortitel zu erschnorren

von Tilman Vogt  12.07.2011 08:46 Uhr

Promotionsplagiate sind das Thema der Saison. Vom Bundeskabinett über das Europaparlament bis aktuell an der Spitze des niedersächsischen Wissenschaftsministeriums – überall finden sich alerte Abspicker. Juden sind zum Glück (noch?) nicht dabei. Dabei hat uns auch das Judentum zumindest in der Vergangenheit einige hübsche Fälle von Titelanmaßung beschert.

Von einem sicherlich unübertroffenen berichtete die Reichenberger Zeitung am 14. März 1890. Der Artikel beschrieb den »wahrhaft skandalösen Bestechungsversuch«, mit dem J. H. Schwarz, Rabbiner in Gablonz (heute tschechisch Jablonec), versucht hatte, sich einen akademischen Grad zu besorgen.

doktortitel Der Rabbiner hatte einen Brief an den ihm namentlich unbekannten Dekan der Universität Zürich geschrieben, in dem er sich als wohltätiger Anwalt einer Gruppe vom Schicksal gebeutelter Fast-Doktoren vorstellte. Darunter seien ein Vizekonsul, ein Schriftsteller und ein Jurist, die sich aus mannigfachen Gründen nicht in der Lage sähen, die mündlichen Examina zur Erlangung des Doktortitels abzulegen.

Falls sich »der hochgeachtete Herr Decan« zu der großmütigen Geste bereit erkläre, diese Prüfung zu erlassen, winke ihm nicht nur »ewige Dankbarkeit«, sondern auch »der staatliche Orden von Venezuela Bolivar« und insgesamt 4.000 Francs »zu Ihrer gefälligen Verfügung«.

anliegen Zu guter Letzt kommt der Briefschreiber auch auf sich selbst zu sprechen, den Seelsorger, der in seiner Stadt zwar als Doktor firmiere, aber tatsächlich des Diploms noch nicht so richtig habhaft geworden sei. Leider könne er sich als »einfacher Familienvater« keine Zuwendung erlauben, schreibt der Rabbi, aber »der Umstand, dass sich meine Studien-Collegen«, also die anderen Auftraggeber, »mir anvertrauen, darf wohl zu genüge für meinen Vertrauensgrad zeugen.«

Zudem stehe ihm, Schwarz, demnächst ein »Orden oder Professorentitel« aus den Händen von Kaiser Franz Josef I. in Aussicht. Der Titelanwärter verweist auch auf seine eigene wissenschaftliche Publikationstätigkeit, zuvörderst seine Studie »Der Bar-Cochbaische Aufstand unter Hadrian«.

wertlos Dass die Schrift in Fachrezensionen als »Werk ohne jeden Wert« oder »an Ignoranz das Großartigste, was mir seit langer Zeit in die Hände gekommen ist« bezeichnet wird, lässt er allerdings unerwähnt.

Dafür kommt der Rav nach diversen untertänigen Verbiegungen bald zum Wesentlichen: »Ich bitte um die gefällige Bekanntgabe des werthen Namens, um unverzüglich um die Ordenverleihungs-Urkunde vorstellig zu werden.«

Der fromme Wunsch blieb unerfüllt. Anders als heutige Ordinarien, bei denen J. H. Schwarz wohl größere Gnade gefunden hätte, informierte der Züricher Dekan unverzüglich alle Universitäten in der Schweiz, Deutschland und Österreich und übergab den Fall den Behörden. Statt des Doktorhuts bekam der Gablonzer Rabbi nur eins auf den Deckel.

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