Jugendliteratur

Der goldene Faden

Ein modernes Märchen, das liebevoll Generationen zusammenbringt – und neugierig auf Familiengeschichten macht. Foto: Rowohlt

Glänzendes dunkelblaues Seidensatin, übersät mit Sternen und Schneeflocken aus Silberbrokat und mit einem goldenen Faden eingefasst: Rund um das Schicksal des Wandbehangs, der den Mitternachtshimmel im Jahr 1919 über St. Petersburg symbolisiert, entspinnt sich die Geschichte der Familie Auerbach, die von Russland nach Berlin, später über Belgien nach New York emigriert, um dann wieder in der deutschen Hauptstadt zu leben.

Das kostbare Erbstück wird über Generationen weitergegeben, aus dem Wandbehang wird eine Tischdecke, ein Klavierschal, ein Wiegenhimmel. Im Besitz der Ururenkelin Stella wird es zum »Schneestern-Kleid«, zur Lieblingsdecke und schließlich einer Hutschleife.

Schneeflocken Was übrig bleibt, sind die wundersamen Geschichten, die mit den Veränderungen des kostbaren Satins und den Wandlungen der Zeit verbunden sind. Am Ende fasst Stellas Mutter sie in einem Buch zusammen, das sie der Tochter schenkt, gebunden mit Überresten des goldenen Fadens. Der Umschlag ist aus schimmerndem Blau, bedruckt mit silbernen Sternen und Schneeflocken. Darin die Widmung: »Für Stella, den goldenen Faden, der unsere Vergangenheit mit unserer Zukunft verbindet.«

Die erfolgreiche Jugendbuchautorin Holly Jane Rahlens hat mit Stella Menzel und der goldene Faden erstmals ein Kinder-, aber auch ein Vorlesebuch für die ganze Familie geschrieben. Die Anregung lieferte ihr ein altes jiddisches Volkslied, das von einem armen Schneider in einem osteuropäischen Dorf erzählt, der einen zerfledderten Lieblingsmantel besitzt.

Weste Seine Frau fleht ihn an, ihn wegzuwerfen und aus einem anderen Stoff einen neuen zu nähen. Aber er weigert sich und macht daraus stattdessen eine Jacke. Die trägt er wieder, bis sie auseinanderfällt. Wieder schnippelt der Schneider an dem Kleidungsstück herum, bis eine Weste daraus entsteht. So geht die Geschichte weiter, bis nichts mehr von dem Stoff übrig ist.

Stella Menzel ist ein modernes Märchen, das liebevoll Generationen zusammenbringt und neugierig auf Familiengeschichten macht. Wir erfahren nicht nur etwas über das Schicksal einer jüdischen Familie über ein Jahrhundert hinweg, sondern werden ganz nebenbei vertraut gemacht mit jüdischen Traditionen und Begriffen wie Kiddusch, Challa oder Chuppa. Am Ende bleibt der Leser zurück mit dem Gefühl, ein Teil von etwas zu sein, das größer ist als wir selbst.

Holly-Jane Rahlens: »Stella Menzel und der goldene Faden«. Deutsch von Brigitte Jakobeit. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2013, 160 Seiten, 16,99 €

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 27. Februar

 21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

Bayern

NS-Raubkunst: Zentralrat fordert schnelle Aufklärung

Der Zentralrat der Juden verlangt von den Verantwortlichen im Freistaat, die in der »Süddeutschen Zeitung« erhobenen Vorwürfe schnell zu klären

 20.02.2025

Kolumne

Unentschlossen vor der Wahl? Sie sind in guter Gesellschaft – mit Maimonides

Der jüdische Weise befasste sich mit der Frage: Sollten wir als Kopfmenschen mit all unserem Wissen auch bei Lebensentscheidendem dem Instinkt vertrauen?

von Maria Ossowski  20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025

NS-Unrecht

Jüdische Erben: »Bayern hat uns betrogen« - Claims Conference spricht von »Vertrauensbruch«

Laut »Süddeutscher Zeitung« ist der Freistaat im Besitz von 200 eindeutig als NS-Raubkunst identifizierten Kunstwerken, hat dies der Öffentlichkeit aber jahrelang verheimlicht

von Michael Thaidigsmann  20.02.2025

Literatur

»Die Mazze-Packung kreiste wie ein Joint«

Jakob Heins neuer Roman handelt von einer berauschenden Idee in der DDR. Ein Gespräch über Cannabis, schreibende Ärzte und jüdischen Schinken

von Katrin Richter  20.02.2025

Berlinale

Auseinandergerissen

Sternstunde des Kinos: Eine Doku widmet sich David Cunio, der am 7. Oktober 2023 nach Gaza entführt wurde, und seinem Zwillingsbruder Eitan, der in Israel auf ihn wartet

von Ayala Goldmann, Katrin Richter  19.02.2025

Berlin

»Sind enttäuscht« - Berlinale äußert sich zu Antisemitismus-Skandal

»Beiträge, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, überschreiten in Deutschland und auf der Berlinale eine rote Linie«, heißt es in einer Erklärung des Festivals

von Imanuel Marcus  19.02.2025