Das amerikanisch-georgische Drama »Tatami« ist der diesjährige Gewinner des Fritz-Gerlich-Preises.
Die Auszeichnung für das Regie-Duo, den Israeli Guy Nattiv und die Iranerin Zar Amir, wurde am Mittwochabend in München von Kardinal Reinhard Marx überreicht. Der seit 2012 jährlich vergebene Preis erinnert an den katholischen Journalisten Fritz Gerlich (1883-1934).
Gerlich positionierte sich Anfang der 1930er-Jahre als Herausgeber der Wochenzeitung »Der gerade Weg« entschieden gegen den Nationalsozialismus, wurde 1933 nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler verhaftet und am 30. Juni 1934 im Konzentrationslager Dachau ermordet.
Der nach ihm benannte Preis ist von der katholischen Filmproduktionsfirma Tellux gestiftet und mit 10.000 Euro dotiert. Prämiert wird jeweils ein Film aus dem Programm des Filmfests München, der sich für mehr Menschlichkeit und gegen Diktatur, Intoleranz und Verfolgung ausspricht.
Während der Film auf Regie-Ebene die erste Kooperation von Filmemachern aus Israel und dem Iran ist, thematisiert er die ungebrochene iranische Feindschaft gegenüber Israel am Beispiel des Sports. »Tatami« spielt während einer Judo-Weltmeisterschaft der Frauen im georgischen Tiflis. Dort tritt die iranische Judoka Leila Hosseini mit berechtigten Hoffnungen auf eine gute Platzierung an und besiegt ihre ersten Gegnerinnen auch souverän.
Bewegend und stets glaubhaft
Das alarmiert die Vertreter des iranischen Regimes, denn die Sportlerin könnte im Turnierverlauf auf eine Israelin treffen. Leila Hosseini soll deshalb eine Verletzung vortäuschen. Die Judoka weigert sich und setzt ihre Kämpfe fort. Der Druck jedoch wird mit jedem Sieg immer höher, denn neben der Sportlerin und ihrer Trainerin werden auch deren Familien im Iran bedroht.
Die Jury des Fritz-Gerlich-Preises würdigte »Tatami« als bewegenden, stets glaubhaften und mitreißenden Film. Er greife zentrale Gedanken von Fritz Gerlich auf, etwa den Widerstand gegen diktatorische Regime und das innere Ringen, das zu Entscheidungen führe, die mit harten Konsequenzen verbunden seien.
»Rückgrat zu beweisen, die persönliche Freiheit zu erkämpfen, der Gewalt und der Lüge zu widerstehen, die Opfer, die damit verbunden sind - diese Motive verbinden Fritz Gerlich und den Film über die Zeiten und die Kulturen hinweg in beeindruckender Weise«, erklärte die Jury. Tellux-Geschäftsführer Martin Choroba ergänzte: »Gerade in der heutigen Zeit ist es sehr wichtig, ein so couragiertes Werk auszuzeichnen!«
Das Letzte aus sich herausholen
Inspiriert ist »Tatami« von mehreren Fällen, in denen iranische Sportlerinnen sich den Befehlen des Regimes widersetzten und mit ihm brachen. Nattiv und Amir setzen bei ihrer Inszenierung vor allem auf Zeitdruck, um fast thrillermäßig Spannung aufzubauen. Die Wettkämpfe der Judokas folgen rasch aufeinander, in den Pausen dazwischen werden die Drohungen der Funktionäre immer intensiver. Sogar vor Inhaftierung und Folter der Angehörigen von Leila Hosseini und ihrer Trainerin Maryam schrecken sie nicht zurück.
»Tatami« zeigt, wie die beiden Frauen sich zwar in derselben Situation befinden, aber zuerst unterschiedlich reagieren. Maryam widersetzt sich nicht lange der Gewalt, Leila hingegen will nicht klein beigeben. Dabei kann sie auch auf die volle Unterstützung ihres Mannes zählen, den sie in einer Kampfpause zur Flucht mit ihrem Sohn aus dem Iran drängt. Währenddessen scheinen ihre eigenen Kräfte durch die angespannte Lage eher noch mobilisiert zu werden, in den immer härteren Kämpfen holt sie das Letzte aus sich heraus.
»Tatami« macht nicht zuletzt nachvollziehbar, wie fadenscheinig die Drohkulisse ist, die um die Sportlerin aufgebaut wird. Leila und Maryam sind keineswegs schutzlos und können auch noch immer selbstbestimmt Entscheidungen treffen. Der Preis dafür ist aber hoch, denn es bedeutet die Loslösung von ihrer Heimat und Ungewissheit über das Schicksal ihrer Familien. Doch mit ihrem Mut versetzen sie einem System, das Millionen Menschen unterdrückt, einen empfindlichen Schlag.