»Sangre Kosher«

Der Dybbuk der Zwi Migdal

Ein Krimi über die jüdische Mafia in Argentinien

von Michael Wuliger  06.10.2014 17:36 Uhr

Milieustudie der argentinischen jüdischen Gemeinschaft. Foto: DIAPHANES

Ein Krimi über die jüdische Mafia in Argentinien

von Michael Wuliger  06.10.2014 17:36 Uhr

»Zwi Migdal« hieß nach einem ihrer Gründer und Anführer die argentinisch-jüdische Mädchenhändler-Mafia, die in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts das Sexgeschäft in weiten Teilen Lateinamerikas bis hinein in die USA beherrschte. Die 500 straff organisierten Zuhälter kontrollierten allein in Argentinien mehr als 2000 Bordelle mit 30.000 Zwangsprostituierten. Die Belegschaft rekrutierten die Gangster in den Schtetln Osteuropas, wo sie junge Frauen aus armen Familien mit falschen Eheversprechungen oder Jobangeboten köderten. Bis heute bezeichnet in der argentinischen Umgangssprache »polaca« eine Hure.

miluieustudie Ruth Epelbaum, die Heldin von Maria Inés Kremers Thriller Sangre Kosher (zu deutsch »Koscher Blut« – die jetzt erschienene deutschsprachige Ausgabe hat den spanischen Originaltitel beibehalten), ist mit der Geschichte der Zwi Migdal aus ihrer Zeit als Archivarin der jüdischen Gemeinde vertraut. Inzwischen verdient die Mittfünfzigerin ihr Geld als Privatdetektivin in Buenos Aires.

Als ein Gemeindemitglied, ein wohlhabender Juwelier, sie beauftragt, seine seit einer Woche spurlos verschwundene Tochter zu finden, stößt sie rasch auf Indizien, die nahelegen, dass auch in diesem Fall bandenmäßig betriebener Frauenhandel der Hintergrund sein könnte. Immer wieder fallen Ruth bei ihren Ermittlungen scheinbare Parallelen zur Zwi Migdal auf. Ist die Gangsterorganisation, der 1930 in einem großen Prozess das Genick gebrochen worden war, mehr als 80 Jahre später wieder aktiv?

Maria Inés Kremer, die Raymond Chandler und Isaac Bashevis Singer als ihre literarischen Vorbilder nennt, legt mit ihrem ersten von inzwischen drei Ruth-Eppelbaum-Krimis – und dem ersten, der auf Deutsch erscheint – auch eine Milieustudie aus der argentinischen jüdischen Gemeinschaft vor, der mit rund 180.000 Menschen siebtgrößten der Welt.

Sie erzählt von Machanot, Sportvereinen, Festen und Beerdigungen, lässt ihre Figuren immer wieder jiddische Begriffe einflechten, wenn sie reden (für die nichtjüdischen Leser wäre deshalb ein kleines Glossar nützlich gewesen), und zeichnet das Bild einer Gemeinschaft, die, inzwischen größtenteils im gesellschaftlichen Mainstream angekommen, die weniger respektablen Seiten ihrer eigenen Geschichte gern vergessen (lassen) möchte.

Maria Inés Kremer: »Sangre Kosher«. Roman. Deutsch von Peter Kultzen. Diaphanes, Zürich 2014, 200 Seiten, 17,95 €

Film

Der Wandel des »Ka-Tzetnik«

Eine Doku widmet sich dem Schoa-Überlebenden Yehiel De-Nur und seiner Auseinandersetzung mit dem »Planeten Auschwitz«

von Dietmar Kanthak  12.03.2025

Nachruf

Peggy Parnass ist tot

Ihr Leben widmete sie dem Kampf gegen Ungerechtigkeit, Intoleranz und das Vergessen. Jetzt ist die Autorin und Holocaust-Überlebende Peggy Parnass in ihrer Wahlheimat Hamburg gestorben

von Carola Große-Wilde  12.03.2025

New York

Billy Joel verschiebt Tour wegen Operation und Physiotherapie

Fans müssen länger auf den nächsten Auftritt des »Piano Man« warten. »Die Gesundheit hat Vorrang«, sagt der 75-jährige Jude

 12.03.2025

In eigener Sache

Zachor!

Warum es uns besonders wichtig ist, mit einer Sonderausgabe an Kfir, Ariel und Shiri Bibas zu erinnern

von Philipp Peyman Engel  11.03.2025 Aktualisiert

Schauspiel

Zweiflerin aus Zürich

Deleila Piasko war in David Haddas jüngster TV-Serie zu sehen. Ein Porträt

von Tilman Salomon  10.03.2025

Medizin

Der Seuchen-Pionier

Vor 100 Jahren starb August von Wassermann, einer der Begründer der modernen Immunologie

von Benjamin Kuntz  11.03.2025 Aktualisiert

Kulturkolumne

Hat Kunst je eine Katastrophe verhindert?

Nachgefragt bei Kubrick und Zweig

von Sophie Albers Ben Chamo  09.03.2025

Jüdisch-israelische Kulturtage

»Kleine Synagoge« zeigt Werke von Daniela Bromberg

Daniela Bromberg ist eine Erfurter Künstlerin, die sich in ihrem Werk mit der Thora, dem Chassidismus und ethischen Fragen auseinandersetzt

 09.03.2025

Restitution

Potsdam-Museum gibt zwölf in der NS-Zeit enteignete Bücher zurück

Günther Graf von der Schulenburg stieß auf die Bücher in der Lost Art-Datenbank des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste

 09.03.2025