Der Bettler stand im Mittelpunkt der Konferenz: für alle Teilnehmer und Besucher gut sichtbar am Eingang positioniert, umringt von Neugierigen, von Kameraleuten und Fotografen. Jeder wollte die Geschichte dieses Mannes hören, der da in seinem rot-braunen Anzug kniet und die rechte Hand nach Almosen ausstreckt.
Der Bettler ist ein Gemälde des jüdischen Malers Eugène Zak, der in Russland geboren wurde und Anfang des 20. Jahrhunderts in Paris lebte. Jahrelang hing das Bild im Museum in Ein Harod im Norden Tel Avivs. Bis Anfang des Jahres eine Doktorandin aus Polen das Bild in einer Datenbank für Raubkunst entdeckte. Das Museum verglich die Nummer dort mit dem Stempel auf der Rückseite des Bildes: MA-B 1330. Damit stand fest: Das Bild wurde im Dritten Reich von den Nazis gestohlen.
Ziel des Museums ist es nun, die rechtmäßigen Erben des Gemäldes ausfindig zu machen. Genau deshalb war das Werk auch beim »Zweiten Forum zur Restitution von Kulturgütern aus der Holocaust-Ära in Israel« ausgestellt. Bei der Konferenz kamen Kunst- und Restitutionsexperten aus Israel und der ganzen Welt zusammen. Sie sprachen über Zukunftspläne und die Erfolge der vergangenen Monate, die Fortschritte im Ausland, unter anderem der Gurlitt-Taskforce, die das öffentliche Interesse am Thema Restitution in den vergangenen Jahren überhaupt erst geweckt hat.
ermitteln Organisator der Konferenz war auch in diesem Jahr wieder das staatliche Unternehmen HaShava mit Sitz in Petach Tikwa, das sich ursprünglich nur um die Rückerstattung von Kapital, Aktien und Immobilien bemühte. Seit rund zwei Jahren sind nun auch Kunstgegenstände und Judaika hinzugekommen. HaShava versucht, die rechtmäßigen Erben zu ermitteln. Diese können die Werke dann an sich nehmen, dem Museum zurückverkaufen oder schenken.
Bevor HaShava mit der Provenienzforschung begann, war diese innerhalb Israels kaum ein Thema. Doch auch in israelischen Museen verbirgt sich Raubkunst. Sie kam vor allem nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Kunstexperten kümmerten sich im Auftrag der Alliierten um geraubte Schätze. Wo die Erben nicht gefunden werden konnten, gingen die Werke an die Jüdische Restitutionsnachfolger-Organisation (JRSO). Von dort gelangten sie in das Bezalel-Nationalmuseum, Vorläufer des heutigen Israel-Museums in Jerusalem.
»Solange es da draußen noch Raubkunst gibt, so lange ist der Kampf gegen die Nazis noch nicht zu Ende«, sagte der Keynote-Sprecher Eric Pickles, britischer Politiker und Sonderbeauftragter für Post-Holocaust-Angelegenheiten. Israel solle die Restitutionsarbeit weltweit anführen, das Land habe ein starkes moralisches Gewicht, forderte Pickles, der sich als Freund Israels bezeichnete. Zwar hat zum Beispiel das Israel-Museum bereits einige Bilder als Raubkunst enttarnt und die Erben ermittelt. Dennoch sei bisher nicht genug getan worden, Archive seien oft nicht zugänglich. Pickles mahnte zur Eile: »Je mehr Zeit verstreicht, desto geringer werden die Chancen, Erben ausfindig zu machen.«
Gesetze Elinor Kroitoru, Leiterin der Forschungs- und Informationsabteilung von HaShava, erzählte von einigen neu entdeckten Gemälden und von der HaShava-Entscheidung, dass Raubkunst ohne Erben in den Museen bleiben und somit als Erinnerungsstücke der Öffentlichkeit zugänglich sein solle. Dennoch sei in Israel noch einiges zu tun, um die Erben von Raubkunst ausfindig zu machen. Denn die Washingtoner Prinzipien von 1998 zu Vermögenswerten aus der Zeit des Holocaust wurden in Israel bisher nicht gesetzlich verankert. Laut dem Washingtoner Abkommen soll Raubkunst gesucht, veröffentlicht und mit den Erben eine faire und gerechte Rückgabelösung ausgehandelt werden.
»Wir haben drei Hauptziele: eine Gesetzgebung, Budget und Training. Wir hatten bereits zwei professionelle und sehr erfolgreiche Workshops für die Museumsmitarbeiter. Und der Gesetzgebungsprozess begann mit der vorigen Regierung. Wir hoffen, dass nach dem Forum nun auch Fortschritte mit der neuen Regierung erzielt werden können«, so Kroitoru.
Auch Ayala Oppenheimer, Kuratorin des Ein-Harod-Museums, in dem Der Bettler entdeckt wurde, weiß, wie wichtig diese drei Ziele sind. Grundsätzlich sei das Museum bereit, an der Provenienzforschung mitzuwirken: »Die Museumsmitarbeiter müssen aber weiterhin geschult werden, um Raubkunst überhaupt als solche erkennen zu können.«