Herr Kosslick, vom polnischen Straßensnack wurde er zum Klassiker in New York und mittlerweile auch wieder in Europa. Was macht den Bagel so besonders?
Der Bagel ist rund. Er hat die Form des Lebens. Früher sah man ihn als Symbol für Fruchtbarkeit, Beschneidung oder Glück. Man verbindet offensichtlich mit dieser Idealform viel mehr als nur ein Brötchen – bis hin zu erotischen Konnotationen.
Sie haben vor 14 Jahren zusammen mit dem Journalisten Peter Körte ein Buch mit dem biblischen Titel »Das Buch Bagel. Ein Gebäck rollt um die Welt« geschrieben.
Ja, das ist vielleicht ein bisschen anmaßend (lacht). Aber wir wollten schon sagen, dass das ein Buch mit religiösen, metaphysischen und kulturellen Konnotationen ist. Ich hatte damals ein bisschen Angst, dass wir uns da zu viel rausnehmen. Es ist ja nicht das sechste Buch Mose. Sondern das Buch Bagel. Der Bagel rollte seitdem um die Welt. Unser Buch leider nicht. Dabei hätte es eigentlich erfolgreich sein müssen! Denn wir wollten ja den Bagel und seine Verbindung zur jüdischen Kultur bekannt machen. Das ist etwas, das man wissen sollte: Wir haben da viele Gemeinsamkeiten. Bevor Jesus die Kirche gründete, war er ja auch mal Jude. Das haben viele vergessen. Der Bagel könnte uns wie ein Ring zusammenbringen.
Im Begleitprogramm »Jüdische Kultur« zur Ausstellung »Moshe Gershuni. No Father, No Mother« in Berlin haben Sie jetzt aus dem Buch vorgelesen. Welche kulturelle Dimension hat der Bagel für Sie?
Kultur kann man ja nicht nur mit Bildern im Museum fassen. Essen ist das, was der Mensch jeden Tag tun muss. Kultur ist bereits das Essen. Denn Essen sagt immer etwas über die Kultur der Menschen aus, und Bagel sagen viel über die jüdische Kultur aus. Ihre Zubereitung ist sehr aufwendig. Beim New Yorker Bagel-Klassiker mit »creamcheese and lox« (Frischkäse und Lachs) wird die Kombination von Fleisch mit Milchprodukten vermieden – eine Vorschrift aus der koscheren Esskultur.
Sie haben Ihr Buch in New York geschrieben. Wenn Sie heute dort landen, kaufen Sie sich dann als Erstes einen Bagel?
Nein, aber wenn ich einen Bagelladen sehe, dann schalten mein Bagelgehirn und meine Bagellust ein, und ich esse auf jeden Fall einen.
Sie sind bekennender Verfechter von Slow Food. Gehört der Bagel dazu?
Der Bagel ist einfach ein magisches Gebäck, an dem man die Welt erklären kann. Wenn man ihn toastet und mit Low Fat Cream Cheese isst, mit Lachs obendrauf und Zwiebeln, also ganz klassisch, dann schmeckt er einfach wunderbar. Dabei besteht der Bagel lediglich aus Mehl, Hefe, Honig, Salz und Wasser. Essen ist für mich dann gut, wenn die Zutaten keine Chemie und Geschmacksverstärker haben.
Welche Rolle spielt der Bagel im »Kulinarischen Kino« der Berlinale 2015?
Wir werden einen wunderschönen Film zeigen über einen jüdischen Deli an der Lower East Side, den es seit 100 Jahren gibt.
Mit dem Direktor der Berlinale sprach Katharina Schmidt-Hirschfelder.