Comic

Der alte Mann und das Land

Harvey Pekar ist von Israel enttäuscht. JT Waldman illustriert das

von Katrin Richter  14.03.2016 19:06 Uhr

Foto: Splitter

Harvey Pekar ist von Israel enttäuscht. JT Waldman illustriert das

von Katrin Richter  14.03.2016 19:06 Uhr

Harvey Pekar beschreibt den Alltag ohne Schnörkel und ist damit berühmt geworden. Der immer etwas mürrisch wirkende Typ mit den abgetragenen Klamotten und der »Beiß mich«-Lebensphilosophie sprach aus, was ihn nervte – ob das in dem seit 1976 von ihm herausgegebenen Magazin »American Splendor« war oder im Sessel bei Talkshow-Urgestein David Letterman. Der Frust über den Alltag musste raus. Und kam an. American Splendor mit sehr persönlichen Geschichten aus den »Straßen Clevelands« traf ins Herz der Comic-Leser.

Pekar, der in einer jüdischen Familie aufwuchs, war aber nicht nur der motzende Sachbearbeiter in Clevelands Veteran Administration Hospital. Er war überzeugter Zionist – zumindest als Jugendlicher. Warum sich seine Haltung Israel gegenüber so drastisch geändert hat, das beschreibt Pekar in Ein anderes Israel.

Abgelehnt Die biografische Graphic Novel, die im Original mit Not the Israel my Parents promised me einen aussagekräftigeren Titel trägt, begleitet Pekar und seinen Zeichner JT Waldman einen Tag lang. Es ist eine Reise durch Cleveland und durch die Geschichte Israels. Allerdings sind die Zeichnungen von Waldman dabei wesentlich interessanter als die Ausführungen Pekars, der sich mit dem Auszug aus seinem zionistischen Elternhaus langsam, aber sicher von all dem entfernte, was ihm seine Eltern – jüdische Einwanderer – vermitteln wollten.

Den Tief- und Wendepunkt bildet dabei ein Besuch im israelischen Konsulat, denn dem jungen Pekar, der zu jenem Zeitpunkt, wie er selbst schreibt, »ein erbärmlicher Sack« war und nach Israel auswandern wollte, wurde von einem unfreundlichen Angestellten vermittelt, dass ihn das Land in diesem Zustand und mit fehlenden Qualifikationen nicht gebrauchen könne. Abgelehnt. Von da an gibt es nichts wesentlich Neues, wenn es um Israel-Kritik geht. Nur, dass die Fakten aus dem Munde Pekars mit den Zeichnungen Waldmans garniert werden. Nach der spannenden Beschreibung seiner Kindheit vielleicht der stärkste Grund, das Buch zu lesen.

motzend Waldman, der bereits mit seiner Graphic Novel Megillat Esther über die Purim-Erzählung für Aufsehen sorgte, schafft es, dem motzenden Harvey Pekar eine bildkräftige Umwelt zu geben. Die macht das Buch unbedingt ansehenswert. Die Zeichnungen sind detailreich und komplex, die Dialoge leider flach und vorhersehbar. JT Waldman musste die Arbeit an Ein anderes Israel allein beenden – Pekar verstarb 2010 an Krebs, der Krankheit, der er sich in der Graphic Novel Our Cancer Year schonungslos offen widmete.

Es gibt bessere Bücher über Israel. Und vielleicht muss Pekars und Waldmans Buch auch nicht sonderlich gut sein. Es ist nur eine weitere Graphic Novel über den eigenen Kampf, sich über das Land eine Meinung zu bilden. Harvey Pekar hat dies getan. Motzend, wie sonst?

Harvey Pekar und JT Waldman: »Ein anderes Israel«. Graphic Novel. Splitter, Bielefeld 2016, 176 S., 24,80 €

Sehen!

Fluxus in Köln

Das Museum Ludwig widmet Ursula Burghardt und Ben Patterson eine Doppelausstellung

von Katharina Cichosch  24.11.2024

Amos Oz

Der Fehlbare

Biograf Robert Alter würdigt den Literaten und politischen Aktivisten

von Till Schmidt  24.11.2024

Glosse

Der Rest der Welt

Schweißausbrüche, Panikattacken und eine Verjüngungskur auf dem Podium

von Margalit Edelstein  24.11.2024

Kulturkolumne »Shkoyach!«

Wenn Fiktion glücklich macht

Shira Haas und Yousef Sweid sind in »Night Therapy« weitaus mehr als ein Revival der Netflix-Erfolgsserie »Unorthodox«

von Laura Cazés  24.11.2024

Aufgegabelt

Boker tow: Frühstück

Rezepte und Leckeres

 24.11.2024

Auszeichnung

Historiker Michael Wolffsohn erhält Jugendliteraturpreis

Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendliteratur würdigt Engagement in der Geschichtsvermittlung

 23.11.2024

Berlin

Nan Goldin eröffnet Ausstellung mit Rede über Gaza-Krieg

Die umstrittene Künstlerin nennt Israels Vorgehen »Völkermord« – »propalästinensische« Aktivisten schreien Museumsdirektor nieder

 23.11.2024 Aktualisiert

Bochum

Gil Ofarim kündigt Konzert an

Gerade erst zeigte er sich geläutert - nun kündigt er neue Pläne an

 22.11.2024

Den Haag

Der Bankrott des Internationalen Strafgerichtshofs

Dem ICC und Chefankläger Karim Khan sind im politischen und juristischen Kampf gegen Israel jedes Mittel recht - selbst wenn es unrecht ist. Ein Kommentar

von Daniel Neumann  22.11.2024