»Wenn Sie schreiben, dass ich Fan des FC Barcelona bin, geht das nur, wenn Sie klarstellen, dass ich das seit 1978 bin!« Machen wir gerne. Nur: Warum? »Wegen Johan Cruyff natürlich.« Ah, klar doch: Stefanie Schüler-Springorum legt Wert darauf, kein Trendfan zu sein, der Barca gerade toll findet, weil der Club mit Lionel Messi, David Villa oder Francesc Fàbregas vor ein paar Monaten die Champions League gewann. Die neue Leiterin des Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA) an der Technischen Universität Berlin hält seit der Zeit des »Totalen Fußballs«, wie die Cruyff’sche Ära bei Barca hieß, zum spanischen Erstligisten. Anders als andere Projekte, die als »total« qualifiziert wurden, zeichnete sich der Fußball der Katalanen unter Cruyff als besonders elegant aus.
An ihrem neuen Arbeitsplatz muss die 48-jährige Historikerin sich auch gegen einen Trend stemmen. Und besonders elegant zog das Zentrum für Antisemitismusforschung seine Bahnen jüngst auch nicht durch den Forschungsbetrieb. Unter seinem ehemaligen Leiter, Wolfgang Benz, untersuchte das Institut Parallelen zwischen der sogenannten Islamophobie und dem Antisemitismus. Ein Unterfangen, das eine heftige Debatte nach sich zog. »Unfundiert, zweifelhaft, wenn nicht sogar gefährlich«, nannte Julius H. Schoeps, Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien an der Universität Potsdam, Benz’ Ansatz. Als »abwegig« qualifizierte Historikerkollege Michael Wolffsohn von der Bundeswehr-Universität München den Vergleich. Der Gescholtene reagierte recht dünnhäutig auf kritische Fragen von Journalisten: »Mir schlägt ein unglaublicher Hass entgegen«, sagte Benz etwa in einem Interview mit der Berliner Zeitung.
kurswechsel Dass Benz auf seine alten Tage starrsinnig geworden sei, vermuteten auch jene, die das Lebenswerk des ehemaligen Instituts-Chefs durch die Querelen kurz vor seinem Abschied nicht entwertet fanden. Inmitten der Debatte rückte dann auch noch die Vergangenheit von Benz in den Fokus. Als herauskam, dass sein Doktorvater Karl Bosl ein Nazi war, machte der Vorwurf die Runde, Wolfgang Benz distanziere sich nicht ausreichend von ihm.
Das Zentrum hat also, um beim Fußball zu bleiben, eine schwierige Saison hinter sich. Samuel Salzborn, Privatdozent an der Universität Gießen und einer der beiden Autoren einer Studie zum Antisemitismus in der Linkspartei, die diesen Sommer für Furore sorgte, plädiert jetzt für genaues Hinsehen: »So haltlos der ›Islamophobie‹-Antisemitismus-Vergleich war, so wenig sinnvoll ist es, daraus eine Generalkritik am Zentrum für Antisemitismusforschung zu machen. Jetzt warten wir doch einfach mal ab, was aus Berlin kommen wird.«
Einige von Benz’ besonders eifrigen Kritikern würden vielleicht sogar ein Faible für »Totalen Fußball« als politisch bedenkliches Zeichen werten. Doch erste Äußerungen der Nachfolgerin deuten darauf hin, dass sie den von Benz eingeschlagenen Kurs nicht fortsetzen will. So sagt Schüler-Springorum etwa: »Man kann Antisemitismus und Islamfeindschaft miteinander vergleichen, weil dann ja auch die Unterschiede deutlich werden.« Parallelen zum Antisemitismus des frühen 19. Jahrhunderts sieht sie durchaus, aber für das späte 19. Jahrhundert verneint sie diese.
welterklärung Es sei ein Gebot der Wissenschaft, die Erkenntnisse, »die aus der Analyse des antisemitischen Ressentiments gewonnen wurden, paradigmatisch zu nutzen«, schrieb Benz Anfang 2010 – die Debatte war auf ihrem Höhepunkt. Wie eine Antwort darauf klingt es, wenn Schüler-Springorum sagt: »Antisemitismus ist kein Vorurteil unter vielen anderen, sondern hat immer auch diese Welterklärungsfunktion, die er Ende des 19. Jahrhunderts bekommen hat.« Niemand unterstelle den Muslimen von heute, »sie würden die Regierungen der Welt beherrschen und alle Redaktionen und Medien, Anwaltskammern und die Ärzteschaft«. Gut gegeben, Frau Kollegin, denkt da vielleicht Julius H. Schoeps, der Benz seinerzeit fragte, wo denn bei der Islamophobie die »parallelen Wahnvorstellungen« zu denen der Antisemiten seien.
Ab jetzt, das weiß Stefanie Schüler-Springorum, die bisher das Institut für die Geschichte der Deutschen Juden in ihrer Geburtsstadt Hamburg leitete, sind viele Augen auf sie gerichtet. Der neue Posten ist ein Aufstieg in eine andere Liga. »Nachdem mich der Ruf nach Berlin erreichte, habe ich nur kurz gezögert, weil man auf diesem Stuhl so stark in der Öffentlichkeit sitzt«, gibt sie zu. Das Zentrum sei kein Elfenbeinturm, so Schüler-Springorum, in dem man ungestört vor sich hinforschen könne.
Vielleicht wird die Hanseatin gegenüber Kritik ein dickes Fell bewahren: »Ich lese keine Blogs. Nicht aus Prinzip, sondern weil ich keine Zeit habe«, sagt sie und gibt damit vielleicht das Geheimnis der Selbstimmunisierung preis. Ähnlich wird es auch jeder Barca-Spieler halten. Das Team spielt in einem Stadion, das fast 100.000 Menschen fasst und damit das größte in Europa ist.